Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

   
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Die Provinzialverwaltung 
Es ist eine begrifflich schiefe Ausdrucksweise, wenn man den Gau als eine politische 
Organisation bezeichnet, er gibt nur den Rahmen?) fiir die politische Organisation. 
Da wo jedoch eine solche Beruhigung noch nicht eingetreten war, wie insbeson- 
dere in entlegenen Teilen und an der Grenze, da wurden zunächst militärische Prä- 
fekturen in diesen Gauen eingesetzt und zuweilen mit einer zurückliegenden Grafschaft 
verbunden. An der Grenze wurden in der Regel mehrere Gaue zu einem größeren 
Verwaltungsbezirk vereinigt. Nach dieser Übergangszeit wird auch hier der mili- 
tärische Gouverneur, Präfekt, durch einen Grafen abgelöst und größere Grenzpräfek- 
turen werden zu Markgrafschaften. 
Diese Einrichtung der Grafschaften teils im Anschluß an gallorömische civi- 
tates, teils an deutsche Gaue, teils auch unter Durchschneidung alter Gaue hatte zur 
Folge, daß die Größe der einzelnen Grafschaften ganz verschiedenartig war. Des- 
halb begann man seit dem Ende des 8. Jhs., die allzu großen Grafschaften zu teilen. 
Infolgedessen unterschied man oft bei ein und demselben alten Gaunamen einen 
pagus major und einen pagus minor. 
Die neu eingerichteten fränkischen Grafschaften übernahmen als Unterbezirke 
die etwa schon vorhandenen Unterbezirke der Gaue; in Gallien standen dafür frühere 
römische Unterbezirke zur Verfügung, in Germanien die Siedelungsbezirke. Auf 
diese Weise sind die neuen Organisationen zu den alten Siedelungseinrichtungen in 
Beziehung gesetzt. 
In Südgallien benutzte man als Unterbezirke die vorgefundenen vieariae; bei 
den Friesen ließ man die Delen bestehen, bei den Sachsen die Goe. Im gallisehen Ge- 
biet übernahmen die Franken auch die vorgefundene rómische centena. Diese Zent, 
Zentene, war ein Bezirk, in dem jeder Eingesessene die Verpflichtung hatte, bei der 
Diebesverfolgung sich zu betütigen. Die Zentene selbst haftete für den Dieb in ihrer 
Mitte, und sie wurde dieser Haftungspflicht erst ledig, wenn sie nachweisen konnte, daß 
der Dieb in eine andere Zentene geflohen war. Diese Aufgabe der Zentenen erschlieben 
wir aus dem Friedensgesetz Chlotars I. und Childeberts 1.?) 
Bei der Ausbreitung der fränkischen Einrichtungen und Beziehungen nach dem Ostreich 
werden zunächst auch die Unterbezirke der Alamannen durch die lateinische Kanzleisprache des 
Königshofes und der Verordnungen als centenae bezeichnet worden sein, was das alamannische Volk 
wiederum volkstümlich übertrug als hundari. 
Die herrschende Meinung sieht dagegen in den alamannischen hundari territoriale Hundert- 
schaften, die auf eine ursprgl. zahlenmäßige Hundertschaft zurückgehen und urgermanisch seien, 
Die Grafschaften sollen regelmäßig Hundertschaften als Unterbezirke besessen haben. 
Kleinere politische Verwaltungsbezirke als die hundari oder die ihnen ana- 
logen Bezirke gab es zunächst nicht, abgesehen von Resten der römischen Stadt- 
verwaltung in den romanischen Gegenden, wo die Selbstverwaltung und die eigene 
städtische Verwaltungseinheit nicht überall ganz unterdrückt wurden. 
Andere Bezirke, die das fránkische Reich noch kennt, Bauerschaft, Dorfgemeinde, sind wirt- 
schaftlicher Natur und sind im Abschnitt Wirtschaftsgeschichte von KôTzsCHKE behandelt. 
B, Die Beamten. 
R. Somm, Fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 2. Abdruck 1912. THONISSEN, 
L'organisation judiciaire .. . de la loi Salique. 2 éd. 1882. BraucHET, Histoire de l'organisation judi- 
ciaire en France, époque franque. 1886. PLaron, Le mallus ante theoda vel thunginum. 1889. 
H. BRUNNER, in ZSavRg. 11, 206. Koécer, Der Sagibaro in Z. f. Deutsches Altertum. 1889. 
BRUNNER, Rg. 2, § 79, S. 149f. Warrz, Vig. 23 2. Abt. S. 1f. 
1) Auch fiir die kirchliche Verwaltung wurde der Gau vielfach Bezirk eines Dekanats. De- 
kanatsbezeichnungen sind daher nach Gauen benannt wie decania in pago Avelgoe. AUBIN, Ent- 
stehung der Landeshoheit, &. 2f. 
2) c. 9, 16, 17 Ausg. v. BonzTIUs I S. 4ff. S. RrgTSCHEL, Der pactus pro tenore pacis in 
ZSavRg. Bd. 27, S. 265ff. tritt mit gewichtigen Gründen dafür ein, daf der pactus und die Dekrete 
von Childebert II. (575—595) und Chlotar II. (584—628) herstammen. 
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
    
	        
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