Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
   
  
   
   
  
     
Die Provinzialverwaltung 
S zuerst der thüringische dux Radulf, der den Konig Sigebert III. 641 besiegt und seit- 
B dem nur noeh die nominelle Oberhoheit des merowingischen Kônigtums duldet, im 
2 übrigen aber ein selbständiges Stammesherzogtum entfaltet, das in seinem Hause erb- 
s lich wird. Damals wird auch der bayerische dux, der an der Erhebung Radulfs teil- 
E genommen hatte, unabhüngiger, das Herzogtum wird erblich in der Familie der Agilol- 
finger. Áhnlich entsteht auch ein Stammesherzogtum in Schwaben und eines in Austra- 
sien, nämlich das der Arnulfinger. 
; Die selbständige Stellung dieses Stammesdux gleicht sehr einem Unterkönigtum. 
Die Abhängi gkeit von der Krone war bei dem rapiden Rückgang der merowingischen 
Königsmacht immer geringer geworden. Der Stammesherzog übt zuletzt in seinem 
Herzogtum die Rechte aus, die sonst der König besitzt. Er kann selbständig Krieg 
a führen, er hat ein oberstes Hofgericht, er hült Stammesversammlungen ab mit dem 
t Recht der Gesetzgebung, er hat Domänen und kann daraus Landschenkungen vor- 
nehmen, kurz er ist in die meisten königlichen Rechte eingetreten. 
b. c) Das arnulfingische Herzogtum in Austrasien fand sein Ende, als die Arnul- 
S finger eine neue Zentralgewalt gründeten und ihr Herzogtum dem neuen Kónigtum 
rl einbrachten. Unter Karl Martell gingen das thiiringische und alamannische Herzogtum 
unter; das aquitanische Herzogtum wurde 768 nach wiederholten Angriffen nieder- 
n geworfen und das bayerische 788 durch Karl d. Gr. mit der Absetzung Tassilos ILL. 
ß aufgehoben. Wenn seitdem unter den Karolingern noch duces vorkommen, so sind 
t es nur Titularherzóge. Befehlshaber des Heeres führen diesen Titel, und erzählende 
Schriftsteller legen ihn besonders ausgezeichneten Markgrafen bei. 
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5. Der Patricius. 
R. Wzyr, Bemerkungen über das fränkische Patrizieramt. ZSavRg. 17. F. KiENER, Ver- 
fassungsgesch. der Provence. 1900. S. 52f. und Beilage 3 u. 4. 
AÁhnlich der Stellung des merowingischen Amtsherzogs ist die des patricius, der 
in Südgallien, in der Provence vorkommt. Er unterscheidet sich von dem dux nur 
dadurch, daB unter ihm keine comites stehen, die ihre Bannleihe vom Kónig haben, 
sondern vicedomini, wahrscheinlich für jeden Gau einer, die der patricius ernennt und 
die seine Beamten sind. Die Regierungsgewalt ist also straffer und einheitlicher in der 
Hand des patricius und seiner Untergebenen konzentriert als beim -Herzogtum. 
Die Bezeichnung patricius ist ein Ehrentitel, der in der Rómerzeit hóheren Be- 
amten verliehen werden konnte. So hat der praefectus praetorio Galliarum diesen 
Titel geführt, und als nun bei Verschmelzung der Rómer mit den Franken die Prä- 
fektur für die rómischen Untertanen überflüssig wurde, da hat der neue frünkische 
Statthalter die Bezeichnung patricius als Amtstitel behalten. Die Residenz dieses 
Statthalters der Provence war Arles, später Marseille; in der Zeit, in der die Provence 
politisch geteilt war in die provincia Arelatensis und die provincia Massiliensis gab 
es zwei patricii, einen in Arles und einen in Marseille. 
Noch in einem anderen Falle scheint sich der rómische Ehrentitel des patricius 
in einen merowingischen Amtstitel verwandelt zu haben, nàmlichin Burgund. Hier 
ist er vielleicht eine Bezeichnung fiir ein militárisches Kommando ganz nach Art des 
merowingischen dux. Dieser patricius Burgundiae scheint aber doch nicht bloß ein 
Titel für einen Herzog gewesen zu sein, sondern anderen Charakter gehabt zu haben. 
Es ist vermutet worden, daß es „eine Fortbildung der römischen Heermeisterwürde || 
der altburgundischen Könige sein könnte, die sich magistri militum und patricii der V 
Imperatoren nennen durften") | 
T. P" eR. WW Qe DY 
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AP LIB -— 2 
  
  
1) KrENER, aaO. S. 270.
	        
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