Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

   
       
    
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
       
      
78 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw. 
Stadium, in dem ein Ältester oder Erfahrenster gefragt wurde, was Rechtens sei, des- 
sen Tätigkeit sich dann auf die Erteilung des Weistumes beschränkt hatte. So tritt 
er uns noch im isländischen Gesetzsprecher entgegen. Daraus hat sich dann die 
Stellung eines Urteilsfinders entwickelt.?) 
Bei den Langobarden ist der Richter auch gleichzeitig der Urteilsfinder. 
Die Einführung des fránkischen Grafengerichts hatte hirsichtlieh der Verschie- 
denheit des Gerichtswesens eine nivellierende Tendenz; das hat aber auch manche 
Mißstände im Gefolge gehabt. Das fränkische Gericht wird als fremdes Gericht bei 
den anderen Stämmen wohl nicht immer das größte Entgegenkommen seitens der 
heimischen Bevölkerung gefunden haben. Die Grafen hatten das Bestreben, die alt- 
germanische allgemeine Dingpflicht, die früher für das Volksgericht gegolten hatte, 
jetzt auch für das Grafengericht verpflichtend zu machen. Diese allgemeine Ding- 
pflicht war nun aber durch den Mißbrauch der Grafen nicht minder drückend gewor- 
den wie die allgemeine Wehrpflieht. Das veranlaBte Karl d. Gr. zu einer Reorgani- 
sation des Gerichtswesens. 
a) Die tria placita generalia. 
Wie in der Vorzeit der Siedelungsbezirk der Gerichtssprengel einer germanischen 
Gerichtsstätte war, so ist es auch noch in der lex Salica und ihrem Geltungsbereich 
der Fall: die einzelne Dingstátte am Malberg ist zustándig für diejenigen, die zu ihr 
gehören. Mit der Gründung des fränkischen Reichs und der Verdrängung des Thun- 
gins durch den Grafen wurde es insofern anders, als jetzt jede Dingstätte einer Graf- 
schaft für das ganze Gebiet der Grafschaft kompetent wird. Gerichtssprengel ist dem- 
nach jetzt die ganze Grafschaft, die nunmehr eine Mehrheit von Gerichtsstätten um- 
faßt.?) 
Aber dingpflichtig bleibt der Einzelne nach wie vor an dem „malberg, ubi ille 
est gamallus'*, wie die Lex Saliea sich ausdrückt?), das heift da, wo er seinen persón- 
lichen Gerichtsstand hat, wo er Gerichtsgenosse ist. Der Wohnsitz und der Grundbe- 
sitz sind maßgebend für die Dingptlieht, der Einzelne ist an der Dingstätte dingpflich- 
tig, in deren Bereich sein Wohnsitz oder sein Grundbesitz liegt. Da jetzt in Aufnahme 
des früánkisch-rómischen Vorbildes mehr und mehr diese kleineren Bezirke Zentenen 
genannt werden, so ergibt sich: an der einzelnen Malstátte der Grafschaft sind ding- 
pfliehtig alle Freien einschließlich der freien Hintersassen, die in der Zentene dieses 
mallus wohnen oder begütert sind.*) 
Die Frenken unterschieden aber noch zwischen echtem und gebotenem Diug. Das 
echte (mallus legitimus oder mallus publicus) trat ungefähr?) alle sechs Wochen (es 
lagen je 40 Nächte dazwischen), bei Vollmond oder Neumond zusammen, wobei es 
an den einzelnen Malstätten der Grafschaft wechselte. In der Regel dauerte es drei 
Tage lang. Es kamen also im Jahre acht bis neun solcher ordentlichen Gerichtsver- 
sammlungen auf den Grafschaftsgau. Hatte der Gau nur wenige Unterbezirke und 
Gerichtsstätten, so traf das echte Ding die einzelne Zentene öfter, also bei nur zwei 
Zentenen 4—5mal im Jahr, bei drei ungefähr 3mal. Dazu kam das gebotene Ding, 
das ursprünglich auch Vollgericht ist und von dem Grafen beliebig angesagt werden 
konnte, wodurch die Möglichkeit zu Willkür und Rücksichtslosigkeit gegeben war. 
1) Vgl Kown. MAURER, Das Alter des Gesetzsprecheramtes in Norwegen, in Festgabe für 
Arndt, 1875; Derselbe, Das angebliche Vorkommen des Gesetzsprecheramtes in Dänemark. Mün- 
chen. SB. d. Ak., 1887, S. 363f.; K. LEHMANN, Zur Frage nach dem Ursprung des Gesetzsprecher- 
amtes. ZSavRg. 6, S. 193; BRUNNER, Rg. I?, S. 205f., 209 (Pfänderspiel). 
2) Vgl. Souw, Fränk. Reichs- und Gerichtsverfassung 1911, S. 332f. 
3) Lex Salica e. 47. 4) SouM aa0. S. 337. 
5) BRUNNER, Rg. 2, S. 217, Anm. 2. 
  
	        
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