Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

Ne 
    
  
  
  
   
  
  
  
    
   
   
    
   
    
   
   
   
   
   
   
    
    
  
   
  
    
    
  
    
   
   
  
  
    
   
    
        
     
     
     
    
   
   
   
84 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw. 
614) bei Streitsachen der Kirchenhintersassen mit Dritten der Kirchenbeamte (Vogt) im óffentlichen 
Gerichte mitwirken. Überhaupt beanspruchte die Kirche die Unterwerfung ihrer Freigelassenen 
unter die Gerichtsbarkeit des Bischofs, und ein in der Lex Ribuaria enthaltenes Kónigsgesetz machte 
wenigstens das Zugestündnis, daB die tabularii bei Rechtshüándeln untereinander dem geistlichen 
Gericht unterworfen sein und nur bei Streitigkeiten mit Dritten dem öffentlichen Richter unter- 
stehen soilten. — Das Wachszinsigenrecht von St. Viktor in Xanten, das 1122 ein altes Recht er- 
neuert, bestimmt, daf die Wachszinsigen, die hier von freien Eltern abstammen, nicht unter das 
Grafengericht fallen, daf sie für schwere Fülle?) dem Vogt, für leichte einem eigenen Zinsmeister 
unterworfen seien. 
b) Die Immunität.S) 
Schon die Rômer hatten die Immunität, lat. emunitas, gekannt; man verstand 
darunter die Befreiung von Abgaben und von Fronen, den munera sordida. Diesen 
Vorzug genossen im Römerreich die kaiserlichen Domänen, aber auch sehon die 
Kirchengiiter. Valentinian IIL. hat die emunitas der Kirchengiiter aufgehoben‘), aber 
Justinian hat sie wieder erneuert. 
Im fränkischen Reich stand analog dem römischen Vorbild die Immunität zu- 
nächst dem merowingischen Krongut zu, und hier wird sie sich anfangs nicht von der 
römischen emunitas unterschieden haben. Kirchen auf Krongut waren in derselben 
Lage. Deshalb bedurften auch Reichskirchen an sich, als Eigenkirchen des Königs 
aufgefaßt, keiner formellen Verleihung der Immunität; sie besaßen sie von Haus 
aus. Wo sich Reichskirchen dennoch Immunitütsurkunden erteilen lassen, da haben sie 
den Wert eines Beweismaterials zur Sicherstellung ihrer Immunitütsrechte. Nüáchst den 
Kirchen auf Krongut erlangten zuerst sonstige Kirchen Immunität, die Krongut zum 
Geschenk erhielten und mit diesem die bisher daran haftende Immunität empfingen. 5) 
Doch war ein Unterschied gegen die römische Handhabung der kirchlichen Immunität 
darin eingetreten, daß im Frankenreich nicht den Kirchen generell durch allgemeinen 
ErlaB die Immunität zuerkannt wurde, sondern jede einzelne Kirche sie durch Eingel- 
privileg erhalten muBte. Auch weltliche®) Grundherren eilangten schon in der frün- 
kischen Zeit die Immunität, 
Der wesentlichste Inhalt der Immunitätsbriefe ist das Verbot des Introitus des 
ôffentlichen Beamten auf privilegiertem Gebiet; in amtlicher Eigenschaft durfte der 
öffentliche Beamte das Immunitätsgebiet nicht betreten. Das ist dann auch die 
Quelle zur Ausbildung eines Asylrechtes der Immunitát." Der königliche Beamte 
durfte dort keine amtlichen Funktionen ausüben, er durfte dort kein Gericht ab- 
halten und keine fiskalischen Abgaben erheben. Damit ist nicht gesagt, daß unter 
allen Umständen die Immunitätsinsassen vom öffentlichen Richter befreit waren, auch 
nicht, daß das Immunitätsgebiet von allen öffentlichen Leistungen frei war. Es war 
nicht frei von der Verpflichtung zum Brücken- und Wegebau, was auch nicht in die 
munera sordida der römischen emunitas eingeschlossen war. Auch die allgemeinen 
Untertanenpflichten, wie Heeresdienst, Wachtdienst, Zollpflicht außerhalb des Im- 
1) Cap. 5. MG. Capitularia 1, 21: pariter ab utraque 
publicus in audientia publica positi eos debeant iudicare. 
2) De pace violata sive latrocinio. Vgl. A. MxrsrER, Studien z. Gesch. d. Wachszinsigen- 
rechts. 1914. S. 901.; AUBIN, Landeshoheit, S. 94f. 
3) S. auch im ,,GrundriB* den Abschnitt WERMINGROrF? S.15f. 
4) I. J. 441. Nov. Valent. IIT, 10. 
5) In den Schenkungsurkunden über Krongut heiBt es: cum emunitate nostra, sub immuni- 
tatis nomine u. à. BRUNN ER, Rg. 2, S. 290, Anm. 19. Vgl. auch W. Srckzr, Zum Ursprung des 
mittelalterl Staates. MIÔG, Ergbd. 2, S. 19. 
6) Das geht aus dem Edikt Chlothars von 614 hervor, 
aut potentum vel cuicunque visi sunt indulsisse. Erhalten 
legien für Kirchen. 
7) Vgl. S. BrNpscHirER, Kirchliches Asylrecht und Freistätten in der Schweiz (Kirchen- 
rechtl. Abh. von Sturz, H. 32/3). 
parte praepositi ecclesiarum et iudex 
cap. 14: salva emunitate, quod ecclesiae 
sind uns dagegen nur Immunitätsprivi- 
  
   
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.