Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

      
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
     
Deutsches Reich und Kaisertum 
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deutschen Gesch.). 2. Aufl. 3 Bde. 1887/88. E MUHLBACHER, Deutsche Geschichte unter den Karo- 
lingern. 1896. M. KraMMER, Der Reichsgedanke des staufischen Kaiserhauses ( GIERKES Unters. 95). 
T Kaisertum: 1. v. DOLLINGER, Das Kaisertum Karls d. Gr. und seiner Nachfolger. 1864. 
W. Sticker, Die Kaiserwahl Karls d. Gr. MIOG. 20; Derselbe, Die Kaiserkronungen von Karl bis 
Berengar. HZ. 82. W. Ong, Die Kaiserkrénung Karls d. Gr. 1904. B. N1enUES, Geschichte des Ver- 
hältnisses zwischen Kaisertum und Papsttum im MA. 2. Bde. 1863. 1887 (reicht bis Otto I.). 
Aus dem romanische und germanische Völker umschließenden fränkischen Reiche 
schält sich allmählich ein deutsches Reich heraus. 
In den Straßburger Eiden vom 14. Februar 842, in deutscher und französischer 
Sprache von Lothars I. jüngeren Brüdern beschworen, zeigt sich schon deutlich der 
Beginn eines Auseinanderfallens des Universalreiches in eine französische und eine 
germanische Nation. Aber die im folgenden Jahre vorgenommene Teilung des Reiches : 
durch den Vertrag von Verdun 843 hat wohl ein ostfränkisches Reich mit vorwiegend 
germanischem Inhalt, aber noch kein rein deutsches Reich geschaffen. N ationale 
Trennungstendenz hat diesen Vertrag noch nicht diktiert. Das Reich Ludwigs des 
Deutschen umfaßte einerseits nicht alle germanischen Stämme, — es fehlten die Friesen, 
die Hälfte der Franken und die elsüssischen Alamanunen, — und andererseits umschlof 
es in Churrätien auch Romanen. Es fehlte auch die einheitliche Sprache, die immer 
ein Kriterium einer geschlossenen Nationalität bildet; das Lateinische war Schrift- 
sprache in allen drei Reichen, und die aufkommende Bezeichnung thiudisk bedeutete 
zunächst nur Volkssprache im Gegensatz zur Gelehrtensprache, und nicht allein die 
Volkssprache im spüteren Deutschland, sondern auch die Volkssprache der Franken 
im Westreiche. 
Der Einheitsgedanke des fränkischen Gesamtreiches war auch nach der Ent- 
stehung dieser Teilreiche, also auch im Ostreiche nicht geschwunden. Die Grenzen 
der Reiche waren so willkürlich gezogen, daB sie keinen dauernden Bestand zu be- 
gründen schienen; es war klar: durch jede neue Teilung hätte das Gesamtreich wieder 
anders zerlegt und unter die Erben aufgeteilt werden können. Nur durch die Tatkraft 
und die Konsequenz Ludwigs des Deutschen und Ludwigs des Jüngeren ist der Ver- 
trag von Verdun schließlich doch die Geburtsstunde des deutschen Reiches geworden. 
Die Aufgabe, die das ostfränkische Reich sich vorgezeichnet sah, nämlich das 
Lotharreich zu erwerben und dadurch die Hauptmasse der fehlenden Franken und die 
Friesen zu gewinnen, ist von Ludwig dem Deutschen und seinen Nachfolgern klar er- 
kannt und zähe festgehalten worden. Schon der denkwürdige Vertrag zu Mersen 870 hat 
die östliche Hälfte von Lothars II. Reich dem deutschen Reiche eingebracht: die ribus- 
risehen Franken, die Alamannen im £lsaD waren hinzugekommen. Die historische 
Bedeutung dieses Vertrages lag darin, daß jetzt die Grenzen des Ostreiches sich im 
wesentlichen mit der Sprachgrenze deckten. Damit war das deutsche Reich begründet. 
Der Ausbildung nationaler Reiche stand das Kaisertum mit seinen alten uni- 
vergalen Ansprüchen anfangs hindernd im Wege.") Kaisertum einerseits und Kónigtum 
andererseits hatten Aufgaben und Tendenzen, die einander widerstrebten; das Kaiaer- 
tum sollte universell sein und einheitlich, das Kónigtum erfüllte sich mit den Sonder- 
interessen des Deutschtums und des Romanentums und nahm privatrechtliche Fami- 
lienriicksichten in der Beibehaltung der Teilbarkeit. Das Kaisertum, getragen vom 
Prinzip der Einheit, vertrat diese Einheit selbst bei Reichsteilungen, gerade wie es 
in der römischen Kaiserzeit der Fall war. Diese Teilungsart, bei der die Einheit des 
Reiches bestehen blieb, hatten schon die Merowinger geübt. Als aber das abendlän- 
dische Kaisertum errichtet war, kam zu diesem Festhalten an der Einheit hinzu die 
Unterordnung der Teilkönige unter den Träger der Kaiserkrone. Die von Ludwig dem 
Frommen auf Verlangen der Großen auf dem Reichstage zu Aachen 817 vollzogene 
  
1) Vgl. oben S. 43. 
 
	        
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