306 von Frankenberg: Die besond. gesetzl. Bestimmungen f. d. Fabrikbetrieb.
weder konzessionspflichtig sind, noch im übrigen unter den Begriff
der Gast- und Schankwirtschaften fallen; die Bestimmungen über die
abendliche Polizeistunde und über die Sonntagsruhe finden also auf
sie keine Anwendung. Immerhin sind sie als „Verkaufsstellen“ zu
betrachten, so daß nach 8 115a R.G.O. in ihnen die Vornahme von
Lohn- und Abschlagszahlungen ohne Genehmigung der urteren Ver-
waltungsbehórde bei Vermeidung einer Geldstrafe bis zu 150 ./, im
Unvermogensfalle von Haft bis zu vier Wochen verboten ist. AuBer-
dem mag auf 8115 Abs.2 R.G.O. hingewiesen werden, wonach es
den Arbeitgebern gestattet ist, ihren Arbeitern Lebensmittel für den
Betrag der Anschaffungskosten, regelmäßige Beköstigung, Werkzeuge
und Stoffe zu den ihnen übertragenen Arbeiten für den Betrag der
durchschnittlichen Selbstkosten unter Anrechnung bei der Lohn-
zahlung zu liefern. Die herrschende Meinung erkennt an, daß diese
Ausnahmevorschrift trotz des $ 394 B.G.B., der ım allgemeinen die
Aufrechnung verbietet, noch in Kraft geblieben ist (Kayser-Steiniger,
Anm. 14 zu 8115 R.G.O. 8.344; Flesch und Sinzheimer im
,Gewerbegericht^, Bd. 1 S. 197). .
Als Arbeitgeber der in Arbeiterkantinen mit den Reinigungs-,
Aufriumungs-, Haus und Küchenarbeiten bescháftigten Personen wird
in der Regel derjenige anzusehen sein, welcher die Benutzung der
Wohn- und Speisegelegenheit gestattet, in den meisten Füllen also
der Fabrikherr. Nur ausnahmsweise!) kommt es vor, dab die in den
Kantinen verkehrende Arbeiterschaft durch Bildung eines Vereins,
einer Gesellschaft u. dgl. selbst als Unternehmerin auftritt und auf
eigene Rechnung Personen beschäftigt, fiir die sie versicherungs-
rechtlich dann. aufkommen muß.
8. Die Fabrik- und Gewerbeaufsicht.
Die zahlreichen und mannigfaltigen Bestimmungen über die in
den Fabriken und in sonstigen Groß- und Motorbetrieben zu be-
obachtenden Vorschriften erfordern, damit sie nicht auf dem Papiere
stehen bleiben, eine sorgfältige Überwachung, bei welcher wegen der
nötigen Vor- und Fachkenntnisse die Tätigkeit von Polizeibeamten,
insbesondere von Schutzleuten und Gendarmen, keineswegs genügen
würde, wenn auch manche Anordnungen so einfach und allgemein
gehalten sind, daß eine hervorragende Sachkunde bei der Handhabung
der Aufsicht insoweit nicht geboten erscheint.
Um dieser Sachlage gerecht zu werden, regelt 8 139b R.G.O.
die Frage so, daß die Aufsicht über die Ausführung der Bestimmungen
1) Vgl. den Rechtsfall in Regers Entscheidungen, Bd.24 $.30 (Urteil des
Kammergerichtes vom 30. Juni 1902 betreffs einer Warenhauskantine, in der die
Angestellten, das Personal als Vereinigung, den Betrieb führten und durch ihren
Ausschuß bzw. durch Vertreter leiteten).