326 von Frankenberg: Versicherung des Unternehmers gegen Feuersgefahr usw
der Schadensberechnung beherrscht. Ein Urteil des Reichsoberhandels-
gerichtes vom 23. Oktober 1872*) äußert sich dahin, daß die Ver-
sicherungsgesellschaft in Fällen, in welchen ihr Agent den Versicherten
veranlaßt habe, die Schadensberechnung in ordnungswidriger Weise
vorzunehmen, aus der Ordnungswidrigkeit keinen Einwand erheben
könne, wenn anzunehmen sei, der Versicherte habe geglaubt, er ver-
fahre ganz richtig, und wenn diese irrtümliche Ansicht den Umständen
nach entschuldbar erscheine.
Es versteht sich von selbst, daß für jeden von dem Versicherten
vorsätzlich bewirkten Brand keine Entschädigung zu gewähren ist;
es würde aber den Geschäftsbetrieb der Versicherungsgesellschaften
sehr beeinträchtigen, wenn bei Verschulden (Fahrlässigkeit) des
Versicherten unter allen Umständen Entschädigung ausgeschlossen
wäre: viele Versicherungen gegen Brandschaden werden offenkundig
in der Absicht geschlossen, den Versicherten auch für den Fall zu
schützen, daß er durch ein geringes Versehen in die Gefahr großen
Schadens kommen sollte. Es pflegt deshalb nur bei grobem Ver-
schulden, also bei derjenigen Fahrlässigkeit, bei der die im Verkehr
nötige Sorgfalt in besonders schwerer Weise außer acht gelassen
ist, der Ausschluß der Entschädigungspflicht vereinbart zu werden,
während bei leichteren Fällen die Haftung der Versicherungsgesell-
schaft bestehen bleibt; auf den sonst üblichen Maßstab, wonach die
Sorgfalt eines ordentlichen Fabrikanten bzw. Kaufmanns entscheidend
ist, kommt es daher hier nicht an. Die Entschädigungspflicht ist
dagegen nach dem gebräuchlichen Muster auch dann ausgeschlossen,
wenn der Versicherte dem Agenten nicht rechtzeitig (binnen 24 Stunden)
von dem Brande Anzeige gemacht, wenn er böswillig die ihm ob-
liegenden Rettungsversuche unterlassen oder die nötigen Belege, Be-
weise und Verzeichnisse trotz wiederholter Aufforderung nicht ein-
gereicht, endlich wenn er sich bei Ermittelung des Schadens einer
betrügetischen Angabe oder Verschweigung schuldig gemacht hat.
Die vorbeugende polizeiliche Überwachung und Genehmigung
der Feuerversicherungsverträge (die sogenannte Präventivkontrolle) ist
durch $ 121 Abs. 1 des Reichsgesetzes vom 12. Mai 1901 beseitigt
(vgl. Alczander- Katz, Anm. 4 zu $ 114 des Gesetzes, S. 238 u. 246).
Bei der Mobiliarfeuerversicherung — und ebenso natürlich auch
bei der oft unmittelbar an sie angegliederten, von derselben Ver-
sicherungsunternehmung gegen einen entsprechenden Zuschlag mit
bewirkten Einbruchsversicherung — bildet für den Fabrikbesitzer
und Großkaufmann eine Hauptschwierigkeit die Gewähr dafür, daß
ihm betreffs der Feststellung des verloren gegangenen Waren-
bestandes vor Auszahlung der Entschüdigung nieht übergrobe Hinder-
1) Daselbst S. 45 Nr. 1.