380
von Frankenberg: Die Arbeiterversicherungsgesetze.
4. Erweiterungen der Arbeiterversicherung durch Witwen-
und Waisenfürsorge, Euhegehaltsbestimmung u. dgl.
Eine allgemeine Witwen- und Waisenfürsorge im Wege der Zwangs-
versicherung ist den deutschen Arbeiterschutzgesetzen bisher fremd.
In die Statuten einer Fabrik- (Betriebs-), Orts-, Bau- oder Innungs-
krankenkasse dürfen Vorschriften über die Versorgung der Hinter-
bliebenen oder über die Zahlung von Ruhegehalten nicht aufgenommen
werden. Nur die Familienkrankenfürsorge, die Unterstiitzung
bei Schwangerschaft von Ehefrauen der Kassenmitglieder und die
Gewährung von Sterbegeld bei Todesfällen der nächsten Angehörigen
paßt in den gesetzlichen Rahmen hinein. Die óffentlich-rechtliche
Natur der Kassen (auch der eingeschriebenen Hilfskassen) verbietet
selbst beim Einverständnis aller Teile weitergehende Bestimmungen.
Die Unfall- und die Invalidenversicherung haben sich ebenfalls
grundsätzlich auf das ihnen zugewiesene, in den vorstehenden Ab-
schnitten näher beschriebene Gebiet zu beschränken. In 823 des
Abänderungsgesetzes vom 30. Juni 1900 ist aber bestimmt, daß die
Berufsgenossenschaften berechtigt sind, Einrichtungen zur Errichtung
von Rentenzuschuß- und Pensionskassen für Betriebsbeamte sowie für
die Mitglieder der Berufsgenossenschaft, die bei ihr versicherten Per-
sonen und die Genossenschaftsbeamten sowie für Angehörige dieser
Personen zu treffen. Die Beteiligung an derartigen Einrichtungen
darf nur freiwillig sein, ein Zwang ist unstatthaft. Zu Beschlüssen
der Genossenschaftsversammlung, durch welche Einrichtungen dieser
Art getroffen werden, sowie zu den hierfür erlassenen Statuten und
zur Abänderung derselben ist die Genehmigung des Bundesrates er-
forderlich. Im übrigen ist auch in dieser Hinsicht das Reichs- bzw.
Landesversicherungsamt die zuständige Aufsichtsstelle.
Für eine einzelne Fabrik gibt es zwei verschiedene Wege, die
Fürsorge eintreten zu lassen: entweder man bildet eine besondere,
zur Leistung von Pensionen u. dgl. bestimmte Kasseneinrichtung, oder
man übernimmt die Zahlungen einfach auf Rechnung der Firma.
a) Wird ersterer Weg eingeschlagen, so wird häufig, aber nicht
notwendig eine Rechtspflicht!) zur Gewührung bestimmter, in den
Satzungen der Kasse festgesetzter Unterstützungen anerkannt; und
was die Beschaffung des erforderlichen Vermógens anlangt, so pflegt
dies durch Stiftung (etwa durch Vermüchtnisse, durch Überweisung
bei Gelegenheit von Geschäftsjubelfeiern u. dgl.) dargeboten oder
doch mit einem Grundstocke bedacht zu werden, dessen Zinsen ganz
oder teilweise zur Bestreitung der laufenden Ausgaben bestimmt sind.
1) Albrecht, Handbuch der sozialen Wohlfahrtspflege S. 3581£.; Post und
Albrecht, Musterstütten, Bd.II Teili S.139ff.