414 R. Stegemann: Betriebseinrichtungen für die Wohlfahrt der Arbeiter.
bar (Jugendlichen in Raten) ausgezahlt werden, welche für diejenigen, die eine
dreijährige Dienstzeit hinter sich haben, mindestens so viel wie der halbjährliche
Lohn oder Gehalt und mindestens so viel wie der für ein Viertel der abgelaufenen
pensionsfähigen Dienstzeit berechnete Pensionsanspruch: beträgt, während sie bei
kürzerer Dienstzeit entsprechend geringer bemessen ist. Die Entschädigung ist
so hoch bemessen, daß sie einen unter anderen Verhältnissen wirtschaftenden
Betrieb mit wechselnder Arbeiterzahl binnen kurzem an den Rand des finanziellen
Abgrundes bringen würde. Bei Carl ZeiB soll sie vornehmlich prohibitiv gegen
die unvorsichtige Erhóhung der Arbeiterzahl wirken. In der Tat ist die Be-
stimmung bisher nur einmal in erheblichem Umfange in Kraft getreten, nämlich
am 1. August 1893, wo infolge des Zusammentreffens verwickelter Umstände
60 Arbeiter als überzühlig entlassen wurden und etwa 30000.4 Entschüdigung
erhielten.)
Die Lederfabrik von Cornelius Heyl in Worms schreibt über eine solche
Einrichtung folgendes: Die GleichmäBigkeit der Arbeitsverhältnisse in den Be-
trieben des Hauses wird nicht nur von den allgemeinen kommerziellen Ver-
hältnissen, sondern wesentlich auch von der Witterung beeinflußt, da einzelne
Zweige derselben direkt vom Sonnenlicht abhängig sind. Von der Ansicht aus-
gehend, daß möglichst gleichmäßiger Lohnbezug für die wirtschaftlichen Ver-
hältnisse der Arbeiter von größter Bedeutung ist, hat das Haus während solcher
Betriebsschwankungen an die davon betroffenen Arbeitergruppen die Auszahlung
von Wartegeld eingeführt, wodurch diese Leute vor dem Mißgeschick der Ent-
lassung bewahrt werden. Das Wartegeld, welches von den Arbeitern nicht wieder
zurückerstattet und für welches keinerlei Gegenleistung verlangt wird, beträgt:
für die verheirateten Arbeiter täglich 2,50 JJ,
unverheirateten ,, J 2,— À,
» » Arbeiterinnen 1.4 bis 1,20 4,
wobei das Haus noch die Beitrüge zur Betriebskrankenkasse und zur Invaliditäts-
und Altersversicherung für die Dauer des Wartegeldbezuges zulegt, so dab die
Betroffenen obige Beträge per Tag netto ausbezahlt bekommen. Diese Fest-
setzung des Wartegeldes steht in keinerlei Verhältnis zu dem verdienten Jahres-
durchschnittslohn, sondern lehnt sich an den ortsüblichen Tagelohn an, indem
es diesen entsprechend übersteigt. In erster Linie werden Arbeiterinnen auf
Wartegeld gesetzt, um Stückzahl an Arbeitsware für die verbleibende, haupt-
süchlich verheiratete Arbeiterschaft frei zu machen. Ist die Zahl der wartenden
Arbeiter bei langer Betriebsstórung zu vergrößern und auch auf männliche Arbeiter
auszudehnen, so wird besondere Rücksicht auf Verheiratete und deren Kinder-
zahl genommen. In der Regel wird alle acht Tage, bei kürzerer Unterbrechung
alle zwei Tage gewechselt, damit jeder einzelne Arbeiter an die Reihe kommt und
niemand bevorzugt wird. Unverheirateten Arbeiterinnen ist auch Gelegenheit
gegeben, in der Nähschule, welche in solchen Zeiten den ganzen Tag über ge-
öffnet ist, unter Leitung einer Lehrerin weibliche Handarbeiten auszuführen.
Die Ausgaben für Wartegeld, die in den einzelnen Jahren sehr verschieden sind,
betragen durchschnittlich pro Jahr ca. 5000 /. Die Einrichtung des Warte-
geldes findet bei den Arbeitern gebührende Anerkennung und wird, da der
Wartegeldbezug in der Regel nur kurze Zeit den einzelnen Mann betrifft, nicht
unangenehm empfunden. Die auf dem Lande wohnenden Arbeiter betreiben
meistens nebenbei noch etwas Landwirtschaft und können die freie Zeit nützlich
verwerten.
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1) Felix Auerbach, Das ZeiBwerk und die Carl ZeiB-Stiftung in Jena.
Jena 1904. 2. Aufl. S. 123.