Full text: Geschichte der neueren Philosophie

LO2 DER ENGLISCHE DEISMUS. 
sprechen. Die natürliche Religion und die wahre unter den positiven war der N 
sind demnach nicht durch ihren Inhalt, sondern nur durch die Art der nicht in ihr 
Bekanntmachung unterschieden. Die Vernunft mißt die geschichtliche christlichen 
Religion an der Norm der natürlichen und unterscheidet die wirkliche Gottesglaub 
Offenbarung von der vermeintlichen durch die Übereinstimmung ihres die historisc 
Inhaltes mit der Vernunft: der Deist glaubt an die Schrift wegen ihrer Zweck der 
vernünftigen Lehre, nicht aber hält er ihre Lehre für wahr, weil sie in Umkehr zu 
der Bibel steht. Enthält die positive Religion weniger, als die natürliche, erklären m( 
so ist sie unvollständig; enthält sie mehr, ist sie tyrannisch, indem sie auf die Büc 
unnötige Dinge auferlegt. Die Berechtigung der Vernunft, das Richter- nicht in de 
amt über die Glaubwürdigkeit der Offenbarung zu üben, steht außer Thor behaı 
Zweifel; giebt es doch außer ihr kein Mittel, zur Wahrheit zu gelangen, bedürfe. 
und die Annahme einer äußeren Offenbarung als einer echten, nicht Was ı 
bloß vorgeblichen, ist selbst nur möglich für denjenigen, der schon durch haben, gel: 
das innere Licht der Vernunft von dem Dasein Gottes überzeugt ist. — Gedanken ı 
An diese begriffliche Überlegung schließt sich eine, anfangs nur flüchtig Ausdruck. 
angedeutete, im weitern Verlauf der deistischen Bewegung immer aus- lands „geh 
führlicher dargelegte geschichtliche Ansicht. Die natürliche Religion ist das Freiden] 
stets und überall dieselbe, ist allgemein und notwendig, ist vollkommen, 1730 und C 
ewig und ursprünglich. Als ursprünglich ist sie die früheste Religion und Der erste f 
so alt wie die Welt; als vollkommen ist sie keines Fortschritts, sondern Recht der f 
nur der Verderbnis und der Wiederherstellung fähig. Zweimal hat sie neuerte nati 
in voller Reinheit bestanden, als Religion der ersten Menschen und als gar auf sittl; 
Religion Christi. Zweimal ist sie entstellt worden, in der vorchristlichen Die de 
Zeit durch Götzendienst, der von der Totenverehrung Ägyptens ausging, bis 71) ins 
in der nachchristlichen durch Wundersucht und blinden Autoritätsglauben ; derselbe die 
beidemal geschah die Trübung durch herrschsüchtige Priester, die mit der Vernun 
unverständlichen Dogmen und prunkenden, geheimnisvollen Zeremonien aber nichts 
das Volk zu schrecken und zu zügeln wünschten und bei dem Aber- geht, an ihn 
glauben der Menge ihren Vorteil fanden: jede neue Gottheit, jedes neue weise, daß ı 
Mysterium war ihnen ein Gewinn. Wie sie die Urreligion zum Polytheis- auch nichts 
mus verderbt. hatten, so wurde das Christentum durch Anbequemung an ein Geheimrt 
die Vorurteile der zu Bekehrenden verunreinigt, in deren Augen der Zumutung, c 
neuen Lehre ihre Einfachheit nicht zur Empfehlung gedient hätte. Der daß die Ve 
Jude wollte sein Gesetz, der Heide seine Feste und seine schwerverständ- allein über « 
liche Philosophie in ihr wiederfinden, so wurde sie mit unnützen Kultus- Motiv, das ı 
handlungen und unnützem Tiefsinn belastet, wurde verjudet und: ver- der Vernunf 
heidnischt. Besonders anstößig mußten dem rein verständigen Sinne und Erfahru 
der Deisten die Dogmen von der Erbsünde, der Genugthuung und Ver- heit gelange: 
söhnung sein. Es kann uns weder fremde Schuld (die Sünde der Vor- Glauben hat 
fahren) noch fremde Sühne (der Kreuzestod Jesu) zugerechnet werden: ständige Übe 
nur metaphorisch ist Christus der Erlöser zu nennen, sofern das Beispiel können, mü 
seines Todes uns zu eigenem Glauben und Gehorsam anleitet. Dagegen lichen. Autor
	        
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