264 DIE DEUTSCHE. AUFKLÄRUNG. |
Die Gottheit denkt sich Lessing als höchste, allumfassende, lebendige organisch
Einheit, welche weder eine gewisse Art von Mehrheit noch sogar von nur allma}
Veränderung von sich ausschließt; ohne ein Erleben und Leisten, ohne und fest g
ein Erfahren wechselnder Zustände müßte sich Gott trostlos langweilen. ist eine „E
Die Dinge sind nicht außer, sondern in ihm, gleichwohl (als „zufällig“) Offenba:
von ihm verschieden. Die Dreieinigkeit muß als immanente Gliederung Wie die]
verstanden werden, Gott dachte sich oder seine Vollkommenheiten in trägt, son
zwiefacher Weise: er dachte sie verbunden und sich als ihren Inbegriff, sich selbst
und er dachte sie zerteilt. Nun ist Gottes Denken ein Schaffen, seine Offenbaru:
Gedanken sind Wirklichkeiten. Indem er seine Vollkommenheiten ver- kommen]
einigt vorstellte, schuf er sein ewiges Bild, den Sohn Gottes, und das geschehen
Band zwischen dem vorstellenden und dem vorgestellten Gott, zwischen Irrwegen
Vater und Sohn, ist der heilige Geist. Indem er aber seine Vollkommen- ihr durch .
heiten vereinzelt vorstellte, schuf er die Welt, in der sich dieselben an zu geben.
eine stetige Stufenreihe von Einzelwesen verteilt darstellen. Jedes Indivi- beibringt,
duum ist eine vereinzelte göttliche Vollkommenheit, die weltlichen Dinge rücksichtig
sind beschränkte Götter, alle lebendig, beseelt, geistiger Natur, doch in Ordnung
verschiedenen Graden. Überall Entwickelung: gegenwärtig hat die Seele er sich zı
fünf Sinne, sehr wahrscheinlich hat sie einst weniger gehabt und wird den Perse:
später einmal mehr als fünf haben. Zuerst wurde die Menschheit in Gott der
ihrem Handeln durch den dunklen Instinkt geleitet, allmählich erlangte wickelung
die Vernunft Einfluß auf den Willen, dereinst wird sie ihn ganz und gar geschätzt
durch ihre klaren und deutlichen Erkenntnisse beherrschen. So wird die war, die
Freiheit im Laufe der Geschichte erworben: der Vernünftige und Tugend- und nicht
hafte gehorcht mit Bewußtsein, der Unfreie unbewußt der göttlichen tische Leh
Weltordnung, _ religiöse W
Mit der deistischen Aufklärung teilt Lessing die Überzeugung von heit bis d;
einer Vernunftreligion, deren Fundament und wesentlichen Inhalt die Moral ment das
bildet, erhebt sich jedoch weit über das Niveau derselben, indem er die Einheit G«
Vernunftreligion nicht als den Anfang, sondern als das Ziel der Entwicke- zur Lehre
lung, die positiven Religionen aber als notwendige Durchgangspunkte zur zu könner
Erreichung desselben betrachtet. Da die natürliche Religion je nach den Wahrheite
Gefühlen und Kräften des Einzelnen in Jedem verschieden ist, so würde bis die Ve
es ohne positive Satzungen ‘keine Einheit und Gemeinschaft in religiösen Lessing se
Dingen geben. Doch ist das Statutarische und Geschichtliche nicht eine und der (
von außen angesetzte Zuthat, sondern eine mit der natürlichen Religion Solcher Fe
barter Wa
gegenüber dem oft zitierten Bekenntnis des Determinismus „ich danke Gott, daß ich notwendig,
muß, das Beste muß‘ nicht außer acht zu lassen rät. Von den zahlreichen Schriften dürfen abe
über Lessing seien angemerkt die Arbeiten von G. E. SCHWARZ (1854) und ZELLER Müssen?su
(im Sybels histor, Zeitschrift 1870, aufgenommen in die zweite Sammlung der Vorträge nunftwahr!
und Abhandlungen 1877) über Lessing als Theolog, die von K. FISCHER über Lessings
Nathan 1864, sowie J. H. WırTTEs Philosophie unsrer Dichterheroen, erster Band meister de
(Lessing und Herder) 1880. sich diese