Full text: Geschichte der neueren Philosophie

EMPIRISMUS UND KATIONALISMUS. 273 
in Widerspruch noch als ein weiterer Irrtum die Verkennung ihres synthetischen 
daß‘ alle unsere Charakters. | Die syllogistische Darstellungsmethode der KEuklidischen 
ır/eine Wissen- Geometrie verführte zu' dem Glauben, als würden die spezielleren Lehr- 
ne Wissenschaft sätze aus den einfacheren und diese aus den Axiomen auf dem Wege 
möglich. Denn einer begrifflichen Zergliederung gewonnen,! während in der Mathematik 
ie kann niemals thatsächlich der Fortschritt allein durch Anschauung geschieht, der 
‚€ Einsicht, ein Syllogismus aber nur erlangte Kenntnisse formulieren und verdeutlichen, 
len. und für alle nicht neue verschaffen kann. Nach dem Muster der in dieser Weise 
ı Gründen, mit falschverstandenen Mathematik wurde nun .die Aufgabe der Philosophie 
oll, folgt gerade dareingesetzt, aus inhaltsvollen obersten Grundsätzen die in ihnen 
ı selbst auf und schlummernden Erkenntnisse mittelst logischer Analyse zu entwickeln, 
— Einem’ ent- Wenn es nur metaphysische Axiome gäbe!‘ Wenn wir nur nicht von 
Schicksal verfällt wahrer Wissenschaft verlangten und verlangen müßten, daß sie unsere 
‚pularphilosophie Erkenntnis vermehre und nicht bloß analytisch verdeutliche! War einmal 
’orstellungen ein die Klarheit und Deutlichkeit der Begriffe in solchem ‚rein formellen Sinne 
tischen Methode genommen, so konnte es nicht ausbleiben, daß sich schließlich bei er- 
deckt zu haben, schlaffender Produktivität jenes Prinzip zu der Forderung eines bloßen 
zulänglich, denn Verdeutlichens und Aufklärens der im populären Bewußtsein vorhandenen 
za und Leibniz metaphysischen Vorstellungen abschwächte. So verlor sich der Strom 
lehre, dieser die des Rationalismus in die seichten Gewässer der Aufklärung, welche bald 
Individualismus den empiristischen Theorien, da sich diese ebenfalls durch klare und 
er verdankt ihre deutliche Begriffe zu, legitimieren vermochten‘, eine gleich bereitwillige 
er Klarheit und Aufnahme gewährte wie den Ergebnissen der rationalistischen‘ Systeme. 
ß sich dieselben Es war ziemlich leicht, einzusehen, daß jede der streitenden Parteien 
len Unterschied sich einer Einseitigkeit schuldig gemacht habe, und daß man, um diese 
teht, daß das zu vermeiden, eine gewisse Mitte zwischen den Extremen halten müsse; 
zu verwandeln, viel schwerer war es, die richtige Mitte zu treffen, Keiner der entgegen- 
en vermag, was gesetzten Standpunkte ist so richtig, wie seine Vertreter glauben, keiner 
ı seine Objekte so falsch, wie seine Gegner behaupten. Wo beginnt auf jeder Seite die 
anders gegeben, fehlerhafte Einseitigkeit, wie weit reicht auf jeder die Berechtigung? 
ine Wissenschaft Der Streit dreht sich 1. um Ursprung und Geltungssphäre der mensch- 
ein Sein heraus- lichen. Erkenntnis. Der Rationalismus hat Recht zu behaupten: einige 
;n, sondern nur Vorstellungen sind nicht sinnlichen Ursprungs. Soll Erkenntnis möglich 
;mpfindbare und sein, so dürfen nicht alle Begriffe aus der Wahrnehmung stammen, 
anze, die Gott- nämlich diejenigen nicht, durch welche‘ Erkenntnis gemacht wird, weil 
Philosophie er- andernfalls demWissen die strenge Allgemeinheit und Notwendigkeit fehlen 
ı welches Gegen- würde. Das einzige Organ einer allgemeingültigen Erkenntnis ist die Ver- 
griffe nie Gegen- nunft. Der Empirismus hat Recht zu behaupten: nur das Erfahrbare 
auung) gegebene -— A 
vom Übersinn- 1 Vergl. die (von COHEN, Kants vorkritische Schriften S. 14 zitierte) Stelle aus 
« Mendelssohns preisgekrönter Abhandlung Über die Evidenz in metaphysischen 
ter sie (nichts Wissenschaften: es ist „kein Zweifel, daß in dem Begriff von der, Ausdehnung alle 
nerwähnten Ver- geometrische Wahrheiten eingewickelt anzutreffen sein müssen, die uns die Geometrie 
tik verband sich darin entwickeln lehrt‘. 
Falckenberg, Neuere Philos, IV. Aufl. 
T8
	        
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