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stellung wahr sei, welche mit ihrem Gegenstande übereinstimme, weist er Morali
auf die Unmöglichkeit hin, jene mit diesem zu vergleichen. Von Gegen- Kr S
ständen außer dem Bewußtsein können wir nichts wissen; nach Abson- Sittlich
derung alles Subjektiven bleibt von der Vorstellung nichts Positives mehr aSthet
übrig. Alles an ihr wird.von uns selbst erzeugt, der Stoff entsteht mit Ziel m
der Form zugleich durch die „ursprüngliche Synthesis“. a
Durch die großartige Leistung Fichtes wurden die letzterwähnten Ver- schön
suche, die Kantische Philosophie fortzubilden, derartig überflügelt, daß sie Seele,
bei Mit- und Nachwelt eine minder dankbare Schätzung und Erinnerung Are
gefunden haben, als ihnen sachlich gebührte. Dagegen hat eine andere N
Erscheinung, die gleichfalls auf die Schwelle zwischen Kant und Fichte Harm.
zu stellen ist, jedoch mehr eine Ergänzung der Erkenntnis- und Sitten- VO
lehre des letzteren, als ein Übergangsglied zu ihr bildet, einen ehrenvollen HAYM
Platz im Gedächtnis unseres Volkes behauptet: die Ästhetik Friedrich Ü
Schillers.! Im Centrum derselben steht der Kantische Gegensatz von Leipzig
Sinnlichkeit und Vernunft und die in der Beschäftigung mit dem Schönen Die As
hergestellte Versöhnung beider Seiten der‘ menschlichen Natur. Die „Goeth
künstlerische Thätigkeit oder der Spieltrieb vermitttelt zwischen dem VOGEL
niederen, sinnlichen Stofftrieb und dem höheren, vernünftigen Form- HOSE.
trieb, vereinigt beide zu harmonischem Zusammenwirken. Wo die Be- 7 al
gierde dem Genusse nachjagt und wo der strenge Pflichtbegriff herrscht, Publik:
da ist nur der halbe Mensch beschäftigt; weder die Wollust noch die Run. S
sittliche Würde ist schön. Damit Schönheit und Anmut entstehe, müssen Philos,
Stoff- und Formtrieb oder Sinnlichkeit und Vernunft sich gleichmäßig
und übereinstimmend bethätigen, und nur, wo er „spielt“, ist der Mensch
wahrhaft Mensch, nur durch die Kunst ist Ausbildung der Humanität
möglich. Die Einsicht, daß das Schöne die beiden Grundtriebe,. von
denen im sinnlichen Begehren wie im sittlichen Wollen der eine das
Übergewicht hat, ins Gleichgewicht setze, entscheidet noch nicht über das
Rangverhältnis von künstlerischer und sittlicher Thätigkeit; mit. der An-
erkennung jener versöhnenden Mittelstellung. der Kunst kann sich so- 9
wohl die Ansicht verbinden, daß sie ein Durchgangsstadium und Kr- nn
ziehungsmittel zur Moral bilde, als die andere, daß in ihr die mensch- ES
liche Natur ihre Vollendung erreiche. In Schillers Schriften finden sich em
Belege für beide Beurteilungen. Anfangs huldigt er dem Kantischen 2%
1 Unter Schillers ästhetischen Abhandlungen sind die bedeutendsten „Über An-
mut und Würde“ 1793, „Über naive und sentimentalische Dichtung‘ 1795—1796 und
die zwischen beide fallenden „Briefe über ästhetische Erziehung‘‘. Vergl. K. FISCHER, nüch
Schiller als Philosoph 1858, 2. Aufl. (Schillerschriften 3 und 4) 1891—1802; K, BER- ist.
GER, Die Entwickelung von Schillers Ästhetik, gekrönte Preisschrift, Weimar 18094; begri
E. KÜHNEMANN, Kants und Schillers Begründung der Ästhetik 1895. OTTO HARNACK, Prod
(Geisteshelden, Bd. 28—209) 1808. In Frommanns „Klassikern der Philosophie‘ wird N PuSSC
VOLKELT Schillers philosophische _Entwickelung schildern,