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und fließenden Unterschieden herabsetzt. Dazu kommt eine erstaunliche
Beweglichkeit des Denkens, vermöge deren jede dargebotene An-
regung sofort ergriffen und in das Eigene hineingearbeitet, dabei aber Sch
unversehens der bisherige Standpunkt mit einem etwas veränderten ver- dentalwis
tauscht wird. So befindet sich die Schellingsche Philosophie in be- die Frag
ständigem Flusse, fast jede Schrift zeigt sie in neuer Wendung, und stets stehe; ei
sind es fremde Gedanken, deren Aufnahme .die Verschiebung verursacht. Handlun
Neben Leibniz, Kant und Fichte, die schon dem Tübinger Stiftler ver- bewußte:
traut waren, sind es zuerst Herder, dann Spinoza und Bruno, weiterhin Produkt
der Neuplatonismus und die Mystik J. Böhmes, endlich Aristoteles und Wenn F
die Gnosis, welche auf die Umgestaltung der Schellingschen Lehre Ein- helfen, r
fluß gewannen, von der Wechselwirkung mit seinen Zeitgenossen Kiel- er sie all
meyer, Steffens, Baader, Eschenmayer u. a. nicht zu reden. Man muß, sie nur a
von der anfänglichen Anhängerschaft an Fichte abgesehen, wenigstens Die Nat
drei Perioden auseinanderhalten. Die- erste (1797—1800) enthält daran aı
die epochemachende That seiner Jugend, die Naturphilosophie, und und dadı
als gleichberechtigten zweiten Teil des Systems die Geistes- oder umforme
Transzendentalphilosophie. Die letztere ist eine ergänzende Um- leiter, av
arbeitung der Fichteschen Wissenschaftslehre, in der ersteren schließt wickelt <
sich Schelling an Kant und Herder an. Die zweite Periode, seit Geistarti:
1801, fügt den beiden koordinierten Teilen der Natur- und Geisteslehre telligenz,
als grundlegende Disziplin eine Wissenschaft vom Absoluten, die Iden- Seins au!
titätsphilosophie, hinzu, die man als einen auf Fichtescher Basis das Ascl
erneuerten Spinozismus bezeichnen darf. Neben dem Vorbilde Spinozas „unendli
ist dasjenige Giordano‘ Brunos für diese Gestalt der Schellingschen Subjekt“
Philosophie maßgebend gewesen. Mit dem Jahre 1809 tritt sie, nach- sondern‘
dem schon seit 1804 Vorboten einer neuen Wendung bemerkbar ge- Schelling
worden, in ihre dritte, theosophische Periode, die der positiven dem Seie
Philosophie, in der wir ein mystisches und ein scholastisches aus der
Stadium unterscheiden. Das erstere wird durch die von J. Böhme in- hoffen, v
spirierte Freiheitslehre, das letztere durch die auf. Aristoteles und die den bew
Gnostiker zurückgreifende Philosophie der Mythologie und Offenbarung läßt, sell
repräsentiert.‘ In der ersten Periode ist ihm das Absolute die schaffende strebend
Natur, in der zweiten die Identität der Gegensätze, in der dritten licher al
ein von dem Nochnichtvorhandensein der Gegensätze zu ihrer Überwin- Fichte u
dung fortschreitender vorweltlicher Prozeß. Bei keinem dieser Schritte dem Ich
will Schelling mit dem, was ‚er bisher gelehrt hat, brechen, sondern beide dl
immer nur eine Ergänzung hinzufügen. Was bis dahin das Ganze gewesen, will und
wird als Teil beibehalten. Neben die vervollständigte Fichtesche Trans- wird die:
zendentalphilosophie tritt gleichberechtigt mit umgekehrtem Gange die Naturphi
Naturphilosophie, sodann stellt sich über beide die Identitätslehre, end- Macht g
lich kommt zu der bisherigen negativen (rationalen) eine positive malige S
(Existential-) Philosophie hinzu. mählich