Full text: Geschichte der neueren Philosophie

428 J. Fr. FRIES, 
spekulativem, sondern nur auf empirischem Wege, durch innere Beobach- bestim! 
tung gefunden werden; sie sind gegebene Fakta der Vernunft, deren wir durch 
uns durch Reflexion oder psychologische Analyse bewußt werden. Das die Sc] 
Apriori kann nicht demonstriert oder abgeleitet, sondern nur als that- begriffe 
sächlich vorhanden aufgezeigt werden. Die Streitfrage zwischen Fries kungen 
und der idealistischen Schule — über welche die Prorektoratsrede von denen 
KUNnO FISCHER „Die beiden kantischen Schulen in Jena“ 1862 nachzu- Grunds 
lesen — lautet demnach: ist die Entdeckung des Apriori selbst eine Er- über R 
kenntnis apriori oder eine Erkenntnis aposteriori? ist die Vernunftkritik ihrer I 
eine metaphysische oder eine empirische, nämlich anthropologische Un- Alle I 
tersuchung? Herbart entscheidet mit den .Idealisten: „Alle Begriffe, Ewiges 
durch die wir unser Erkenntnisvermögen denken, sind selbst metaphysi- und F 
sche. Begriffe“ (Lehrb. z. Einl. S. 231)!. Fries entscheidet: die Vernunft- Wirklic 
kritik ist eine psychologische Empirie, eine Erkenntnis aus innerer das G 
Erfahrung oder Selbstbeobachtung, wie denn die Erfahrungsseelenlehre Wirklic 
überhaupt die Grundlage aller Philosophie bildet. der de 
Von dieser methodologischen Differenz abgesehen, nimmt Fries die Idee, 
Kantischen Ergebnisse fast unverändert auf, man müßte denn die wie sie 
Verflachung, ; die. sie. unter‘. seinen Händen‘ erleiden, eine erhebliche das En 
Veränderung nennen wollen. Nur die Lehre von den Ideen und der Ersche: 
Vernunfterkenntnis wird umgestaltet durch Hereinziehung und Systema- Ahnun 
tisierung der Jacobischen Lehre von der unmittelbaren Evidenz des D 
Glaubens. Die Vernunft, das Vermögen der Ideen, d. h. der unbe- mathen 
weisbaren aber zugleich unbezweifelbaren Prinzipien, ist der Sinnlichkeit die org 
und dem Versfande vollkommen ebenbürtig. Dieselbe subjektive Nöti- als ein 
gung, welche uns die objektive Realität der Anschauung und der Ka- Psycho 
tegorien verbürgt, begleitet auch die Ideen; der Glaube, der uns das stande. 
ewige Ansich der Dinge erschließt, ist nicht minder gewiß, als das äußere. 
Wissen von der begrenzten Erscheinung. Die ideale Weltansicht ist gECHN 
ebenso notwendig wie die natürliche, durch jene erkennen wir dieselbe schiede 
Welt wie durch diese, nur nach einer höheren Ordnung, beide stammen meine 
aus der Vernunft oder der Einheit der‘ transzendentalen Apperzeption, prozeß 
nur daß wir bei der natürlichen Ansicht uns bewußt sind, bei der idealen faßt Ei 
davon absehen, daß sie die Bedingung‘ der Erfahrung ist. Was uns Interes 
über das Wissen zum Glauben emporzusteigen nötigt, ist der Umstand, Triebe: 
daß die leere Einheitsform der Vernunft durch sinnliche Erkenntnis nie- seligkei 
mals vollkommen ausgefüllt wird. Die Ideen sind doppelter Art: die nehme 
ästhetischen sind Anschauungen, zu denen die entsprechenden deutlichen unbedi 
Begriffe fehlen, die logischen sind Begriffe, denen keine entsprechenden Gesetz 
= gleiche 
1 In der Encyklopädie freilich erklärt Herbart: „Ohne Psychologie lassen sich vabe d 
die Fragen der Vernunftkritik nicht beantworten‘; „zu jeder metaphysischen Unter- Asthetis 
suchung ‚... gehört eine psychologische Untersuchung des nämlichen Begriffs _in 
Ansehung seines Ursprungs“. Werke (Kehrb.) Bd. 0, S. 222—3. geister
	        
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