Full text: Geschichte der neueren Philosophie

438 HERBART. 
enthält. Ferner ist uns nicht bloß der ungeformte Stoff der Erkenntnis a 
gegeben, vielmehr fällt unter den Begriff des Gegebenen alles, was uns legen 
die Erfahrung so aufdringt, daß wir uns seiner nicht erwehren können; versch 
also nicht nur die einzelne Empfindung, sondern ganze Empfindungs- sein? 
gruppen, nicht nur die Materie, sondern auch die Formen der Erfahrung. die S 
Wären die letzteren wirklich subjektive Erzeugnisse, wofür Kant sie aus- ist se 
giebt, so müßte es unserer Willkür anheimgestellt sein, jeden Wahrneh- welch: 
mungsinhalt beliebig durch die Kategorie der Substanz oder der Eigen- seine 
schaft oder der Ursache zu denken, so müßten wir nach Lust und Laune was. i 
einen runden Tisch viereckig sehen können. "Thatsächlich sind wir in denke 
der Anwendung jener Formen gebunden, sie sind für jeden Gegenstand bestin 
auf eine bestimmte Weise gegeben. vielen 
Die gegebenen Formen — Herbart nennt sie Erfahrungsbegriffe schaft 
— enthalten Widersprüche. Auf welchem Wege können die Wider- Dinge 
sprüche weggeschafft werden? Wir dürfen die mit Widerspruch ‚behaf- wie € 
teten Begriffe weder einfach wegwerfen, denn sie sind gegeben, noch auch es Sic 
so lassen, wie sie sind, denn das logische Prencipzum contradictionis fordert, von: X 
daß der Widerspruch als solcher vertilgt werde, . Die Erfahrungsbegriffe (Eis — 
sind gültig (sie finden Anwendung in der Erfahrung), aber sie sind läßt, 
nicht denkbar. Wir müssen sie folglich so umformen und ergänzen, doch 
daß sie widerspruchsfrei und denkbar werden. Die Methode, welche bESSE] 
Herbart zur Beseitigung der Widersprüche anwendet, ist folgende. ‘Der willkü 
Widerspruch besteht allemal darin, daß ein @ einem 6 gleich sein soll, also 
aber nicht gleich ist. Die verlangte Gleichsetzung beider ist so lange Beim 
unmöglich, als wir a als ein Ding denken. Was so nicht gelingt, gelingt eine 
vielleicht dann, wenn wir in Gedanken das @ in mehrere Dinge aßy Ursac 
zerlegen. Dann können wir aus dem Zusammen dieser Vielen er- denke 
klären, was wir aus dem unzerlegten @« und aus den einzelnen Bestand- drei 
Heilen. desselben nicht erklären konnten. Das „Zusammen“ :ist! eine „Be; oder 
ziehung“, welche das Denken zwischen den Elementen des Wirklichen rinne 
stiftet. Darum nennt Herbart sein Verfahren, notwendige Ergänzungen Quali; 
zum Gegebenen aufzufinden, die „Methode der Beziehungen“, Ein anderer, Seien 
Name für dieselbe Sache ist „Methode der zufälligen Ansichten“. der \ 
Mit zufälligen Ansichten operiert die Mechanik, wenn sie eine Bewegungs- Zerleg 
richtung zum Behufe der Erklärung in mehrere Komponenten zerlegt. die b 
Solche Fiktionen und Substitutionen — Hilfsbegriffe, die nicht real sind, Wese: 
sondern nur als Durchgänge für das Denken dienen — kann auch die ‚denhe 
Metaphysik mit Erfolg benutzen. Der abstrakte Ausdruck dieser Methode Quali 
Jautet: man beseitige den Widerspruch dadurch, daß man das eine Glied die_eı 
desselben statt als Eines als mehrere, diese aber verbunden denkt. Quali; 
Um die von Herbart konstruierte Maschine arbeiten zu sehen, gehen gesch 
wir die vier Hauptwidersprüche durch, an denen sich sein Scharfsinn A 
erprobt: die Probleme der Inhärenz, der Veränderung, des Stetigen, des Ich. welch
	        
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