Full text: Geschichte der neueren Philosophie

POLITIK UND RECHTSPHILOSOPHIE, 35 
undkräfte beurteilen. Das hatte, Aus den ebenso reichhaltigen wie sorgfältigen Forschungen OTTO 
chts ist ohne Empfindung, GIERKES! ersieht man, . daß in den Staats- und Rechtstheorien eines 
r nicht Leben, Gefühl und Bodin, Grotius, Hobbes, Rousseau nicht sowohl vollständig selbst- 
otem Lebendiges entstehe. wachsene Gedankenbildungen, als vielmehr Systematisierungen . und 
. Die Pflanze ist ein be- Steigerungen längst vorhandener Elemente vorliegen. Ihr Verdienst be- 
e Bewegungen der Materie steht in der prinzipiellen Ausprägung und Zuspitzung wie der systema- 
haltungstriebe, die Gestirne tischen Durchführung von Gedanken, die das Mittelalter hervorgebracht 
ympathie; selbst der Raum hat und die teils zum Gemeingut der scholastischen Wissenschaft gehören, 
unvollkommener ein Ding, teils den Oppositionsapparat kühner Neuerer ausmachen. Namentlich 
das göttliche Sein in ihm erscheinen nunmehr Marsilius von Padua (defensor pacıs 1325), Occam 
die göttliche Realität voll- (+ 1347), Gerson (um 1400) und der Cusaner ? (concordantia catholica 1433) 
ıs sich die ideale oder vor- in anderem Lichte. Es „offenbart sich in der Hülle des mittelalterlichen 
Gesamtheit des Möglichen. Systems ein unaufhaltsam wachsender antik-moderner Kern, welcher 
elt der ewigen Intelligenzen allmählich seiner Hülle alle lebenskräftigen Bestandteile entzieht und 
d die Menschengeister um- endlich dieselbe sprengt“ (GıerKe, D. Genoss., Bd. 3, S. 5712). Ohne 
jathematische Welt (mundus daß man aus dem Rahmen der theokratisch-organischen Staatsanschauung 
: Geometrie, das vierte die des Mittelalters herausträte, werden bereits in der scholastischen Periode 
ndlich die empirische Welt die meisten von den Begriffen benutzt, deren volle Ausbildung das moderne 
nmten Punkte des Raumes Naturrecht vollzog. Schon dort finden wir die Vorstellung eines Über- 
nicht nur sich selbst und tritts der Menschen aus einem vorstaatlichen Naturzustand der Frei- 
ondern sie streben zu dem heit und Gleichheit in den bürgerlichen, der Entstehung des Staates 
haben Religion. Zur natür- durch einen (Gesellschafts- und Unterwerfungs-) Vertrag, der Herrscher- 
a Menschen die rationale, Souveränität (7ex maior populo; plenitudo potestatis) wie der Volks- 
g nötig macht. Für göttlich souveränität* /Dopulus maior Principe), der ursprünglichen und unveräußer- 
werden, wenn sie für alle lichen Hoheitsrechte der Allgemeinheit wie der angeborenen und unzer- 
1 verbreitet und weder der störbaren Freiheitsrechte des Individuums, den Gedanken, daß die 
erspricht. Religion ist Ver- Staatsgewalt über dem positiven (Princeps legibus solutus) , aber unter 
-einheit und Liebe. Sie ist dem Naturgesetz stehe, sogar die Ansätze zur Teilung der Gewalten 
Machiavelli lehrt, eine poli- (der gesetzgebenden und der vollziehenden) und zum Repräsentativ- 
en Weltregierung wünscht system, Das sind Keime, die mit dem Sturze der Scholastik und mit 
Apstlicher Spitze verkörpert der kirchlichen Reformation Luft und Licht erhielten, sich frei zu 
ner Provinz, einem König- entfalten. 
Weltmonarchie, diese end- Die Naturrechtslehre der Neuzeit, deren einflußreichster Vertreter 
Die Kirche soll über dem Grotius war, wird durch Bodinus und Althusius eröffnet. Jener faßt 
hen Fürsten und über den den staatsgründenden Vertrag als einen Akt unbedingter Unterwerfung 
 Fidealbild hatte Campanella der Gesamtheit unter den Herrscher, dieser als eine bloße (zurücknehm- 
1 GIERKE, Johannes Althusius und die Entwickelung der naturrechtlichen 
Staatstheorien, Breslau 1880; Ders., Deutsches Genossenschaftsrecht, Band 3, 
losophie. Berlin 1881, $ 11. Vergl. ferner SıcM. RIEZLER, Die litterarischen Widersacher der 
Päpste. Leipzig 1874; A. FRANCK, Reformateurs et publicistes de l’Europe, Paris 1864. 
echtslehren ist früher über- ? Die politischen Ideen des Nic. v. Kues behandelt T. STUMPF, Köln 1865, 
vie beträchtlichem Umfange $ Siehe F, von BEzoLD, Die Lehre von der Volkssouveränität im Mittelalter 
as Mittelalters vorgearbeitet (SyBELS Histor. Zeitschr. Bd. 36, 1876).
	        
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