Ü EINLEITUNG,
Überschätzung des Erkennens auf Kosten aller übrigen geistigen Be- dem
tätigungen, Auch von den griechischen Philosophen sahen viele im herab.
Denken das höchste, gottähnliche Tun. Doch wurde der Intellek- steht
tualismus bei ihnen durch das ästhetische und das eudämonistische gegen
Element gemildert und vor derjenigen Einseitigkeit bewahrt, mit der Höhe
er in der Neuzeit auftritt, da es hier an einem kräftigen Gegengewicht sind
fehlte, Baco, so beredt er den Vorteil der Naturbeherrschung anpreist, trageı
kennt doch und feiert als das Höchste die Forschung um der Forschung aus,
willen, und selbst die Willensphilosophen Fichte und Schopenhauer der a
zahlen dem intellektualistischen Vorurteil ihren. Tribut. Wie sehr weise
namentlich der künstlerische Trieb dem ausschließlich theoretischen das Mitte]
Feld räumt, ist schon aus dem äußerlichen Umstande ersichtlich, daß was Ss
die Neuzeit, wiewohl sie in Fichte, Schelling, Schopenhauer, Lotze und halter
Nietzsche, um Geringerer nicht zu gedenken, hervorragende Stilisten V
besitzt, einen philosophischen Schriftsteller von der Größe des Platon mang
nicht aufzuweisen hat. . Wide!
Wenden wir uns zur Denkungsart des Mittelalters, so tritt uns man)
da, im Gegensatz zu der ästhetischen Anschauung des Altertums und heit‘
der neuzeitlichen Tendenz des reinen Wissens, eine spezifisch religiöse locke]
Stimmung entgegen. Themata und Grenzen werden der Erkenntnis Gewo
vom Glauben vorgeschrieben, alles wird aufs Jenseits bezogen, das WEB,
Denken wird zum Gebet. Man spekuliert über die Eigenschaften Gottes, stisc
über Zahl und Rangordnung der Engel, über die Unsterblichkeit des in w
Menschen — lauter transzendente Gegenstände. Daneben findet geübt
wohl auch das Weltliche liebevolle Beachtung, aber immer nur als der
unteres Stockwerk*, über dem sich unter eigenen Gesetzen das wahre ist P
Vaterland, das Reich der Gnade, erbaut. Der subtilste Scharfsinn Nicht
arbeitet im Dienste des. Dogmas, er soll das Wie und Warum ergründen ande
für Dinge, deren Daß anderweitig feststeht. Daher eine formalistische Wuns
Wissenschaft neben einer innigen und tiefsinnigen Mystik. Zweifel und eigen
Zuversicht schlingen sich wunderlich durcheinander, und ein Gefühl der Philo
Erwartung bebt durch die Geister, Hier der sündige irrende Mensch, sich
der, so heiß er sich mühen mag, die Wahrheiten der Offenbarung nur liche:
halb enträtselt, dort der gnädige Gott, der sich uns nach dem Tode so der |
entschleiert zeigen wird, wie ihn Adam vor dem Sündenfall geschaut. Be- lingsı
greifen aber kann nur Gott sich selbst, für den endlichen Geist ist auch Zwec
die enthüllte Wahrheit Geheimnis, und die Entzückung, die willenlose Wiss
Hingabe an das Unbegreifliche, der Gipfel der Erkenntnis, In der Wiss
mittelalterlichen Philosophie blickt das Subjekt zu seinem Objekt,
a unter
* Über die Trennung und Verbindung der drei Welten natura, gratia, gloria Vgl. ]
bei Thomas vgl. Rup. EuckEn, Die Philosophie des Thomas von Aquino und die 1890.
Kultur der Neuzeit, 1886. Dıista