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ge giebt sich nun, das es in der Regel einen noch erkennbaren
'e= Grund giebt, warum Michelangelo ein Werk unvollendet
22 ließ; es war nämlich gar nicht zu vollenden.
5 Bei seinen Gemälden zeigt sich eine ähnliche Erscheinung
18 und von den wenigen Tafelbildern, die wir noch von ihm
e- besißen, ist der größere Teil unvollendet geblieben. Freilich
ir arbeitet er auf der Fläche nach einem anderen Prinzip; um
ie einen möglichst großen Reichtum an Überschneidungen zu er-
vr zielen, erfindet er bei geschlossenen Gruppen einen ungewöhn-
it lichen Aufbau von merkwürdigem Aspekt, welcher aber, treff-
n lich balanciert, statisch ebenso richtig als verwickelt ist. Auch
0- hier genügt ihm nur das Schwerste und, vertieft in seine
te grüblerischen Probleme, merkt er nicht die eigensinnige Selbst-
1t ständigkeit des Motives gegenüber den natürlichen Anforde-
rungen der Sache; fühlt nicht, wie fernab das Künstliche
- seiner Gebilde von der Gepflogenheit der Natur und der
2 Borstellungsweise einfacher Menschen liegt.
[= Die Freude an der Erkenntnis und künstlerischen Durch-
1. lebung der weiten, farbigen Welt um ihn mit all ihren ab-
h wechselnden individuellen Abstufungen ist ihm fremd. Gleich
e einem blinden Seher in das eigene Innere versenkt, wirkt
n er sic) mit kühner Abstraktion und imponierender Einseitig-
4 feit seine eigene Welt aus, deren Gebilde jenseits der Wirk-
[ lichfeit einem erhöhten Dasein entsprossen scheinen. Wie
1 schweigende Halbgötter stehen sie über der Gewohnheit der
Natur, auch die stärkste innere Erregung durch gemessene
Miene und Gestus ausdrückend, und in allem Pathos einen
unverbrüchlichen, an Düsterheit grenzenden Ernst bewahrend.
ES liegt ein Schatten von Freudlosigkeit auf diesen Gebilden,
gleich einem verkörperten bösen Bli> aus dem Auge ihres
Meisters, welcher sich auch nie zu dem großen und freien
Lumor aufschwingen konnte, der einzig und allein mit den
Mängeln der Welt versöhnt.
Gestellt in den glanzvollen Mittelpunkt der Welt, in