Full text: Adolf Bayersdorfers Leben und Schriften

Nn 
| Ein elementarer Lyriker 
Martin Greif 
Ästhetische Betrachtungen *) 
Als vor einigen Jahren die Gedichte von Martin 
Greif in Stuttgart bei Cotta erschienen, brachte die 
„Allgemeine Zeitung“ als Vorläuferin vieler anderer Blätter 
eine geistreiche Besprechung von Professor Julius Klaiber**), 
welche den sensiblen Inhalt derselben und die ganze aus 
ihnen sprechende poetische Individualität nebst ihren Grenzen 
treffend <arakterisierte, es jedoch, gleich den vielen seither 
erschienenen Recensionen, nicht oder doch nur andeutungs- 
weise unternahm, die innere Kunstform dieser Gedichte ana- 
lytisch zu betrachten. Folgende kurze Bemerkungen sind 
zumeist aus Anregung des Klaiberschen Artikels auf dem 
von ihm angedeuteten Wege entstanden und sollten eine von 
der Kritik gemeiniglich vernachlässigte Urteilsmethode in kurzen, 
durchaus nicht erschöpfenden Erörterungen an den einer 
ästhetischen Untersuchung mehr als würdigen Greif'schen 
Gedichten zur Anwendung 5xringen. 
Denn da dieselben bei scheinbar absichtlicher Vernach- 
lässigung der herrschenden Geschmac>srichtung, also bei voli- 
ständiger Beiseitesezung des Publikums, jeden in bewußten 
Formalisemus übergegangenen Effekt vers<mähen, dagegen 
ein merkwürdiges innerliches Genügen des Dichters an der 
probeweisen und gelungenen Äußerung seiner künstlerischen 
Eigenart zeigen, so möchte es sich bei ihnen zumeist ver- 
*) Wien, 1872. Verlag von L. Ros8ner. 
**) Gymnasiallehrer, Studienrat, Publizist und Nachfolger 
Th. Visc<ers an der technischen Hochschule in Stuttgart, geb. 22. März 
1834 im Kloster Schönthal, gest. am 14. September 1892 in Steinach 
bei Inn8bru>k auf einer Gebirgs8reise. Klaiber war mit Mörike eng 
befreundet. Seine zahlreichen Aufsäge und Lorträge sind nicht gesammelt. 
Seine Hauptschrift „Hölderlin, Hegel und Schelling“ erschien 1877. A.d. H. 
4.
	        
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