bewegend, auch das an sich Unbedeutende als erkannten Teil
eines großen Geistigen durch die Kunst zum höchsten Interesse
erhebt und allem, worauf sie sich erstre>en mag, eine Bedeut-
samkeit verleiht, welche die vom Gewande der Poesie nicht
umflärte Natur nicht hat, wenn sie auch, sei es durch Zufall
oder durch jene überlegende Anordnung des menschlichen
Berstandes, die wir so gerne mit der wirklichen Poesie zu
verwechseln geneigt sind, uns als von Geist und Ordnung
zu einem höheren Berständnisse erhoben scheinen mag.
Eigentümlich ist diesem Dichter vor allem die Ver-
meidung des Leidenschaftlichen. Von der ruhigen oder wenig
bewegten Oberfläche hofft er mehr in die Tiefe der Erscheinung
dringen und deren Totalität zu Tage fördern zu können,
hofft er die vielen feinen, zwischen den Haupttönen liegenden
Stimmungsunterschiede, von denen er ein besonderer Freund
ist, zu belauschen. Besonders in seinen kleinen Liedern ist
die Schärfe zu bewundern, mit welcher eine schnell vorüber-
gehende Zuständlichkeit erfaßt und zu einem bleibenden Ein-
drucke von äußerster Wahrheit gefesselt, wie eine Empfindung8-
nuance von verflüchtigender Feinheit sorgfältig durch ein
zwei- oder dreistrophiges Gedicht festgehalten wird, ohne daß
das Bild verrückt, ohne daß der darauf ruhende Duft ver-
wischt, ohne daß der einmal angeschlagene Ton von einem
anderen durchbrochen würde. Die zufällige und, wie es scheint,
plößliche Entstehung solcher tiefgreisender, lange in der Seele
nachzitternder Klänge mag wohl am gleichgültigen Stoffe,
an einfachen menschlichen Vorgängen und herkömmlichen
Naturbildern stattfinden ; denn um solche poetische Anregungen
zu erfahren, braucht man weder Situationen noch Scenerien
zu erfinden. Das künstlerische Stilbestreben des Dichters
reinigt die anregende Natur von allen partikularistischen Zu-
fälligfeiten und fühlt den individuellen Charakter und die
natürliche Intention einer Erscheinung auch unter der Masse
des Nebensächlichen und aller den Totaleindruck trübenden
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