Full text: Adolf Bayersdorfers Leben und Schriften

werken jedoch, wo es eines umfassenderen Blickes für die durch- 
zuführende Harmonie aller Teile bedarf, oder bei Gemälden, 
deren Gegenstand in einzelnen Punkten seiner Erscheinung 
über die hellsten Darstellungsmittel hinauszieht, sehr oft auf 
Kosten der Harmonie übertreten wird. In einem solchen 
Falle wird gewöhnlich die Kraft der Erscheinung dadurch 
geschwächt. 
XNVL 
Fremde Elemente dürfen sich nicht einmischen in die 
Empfindung, welche bei dem Prozesse des Schaffens eine 
möglichst reine sei, das heißt ungetrübt durch vorgefaßte 
Anschauung; denn diese lähmt das Wahrheit8gefühl, welches 
durch die stete Folgeleistung gegenüber der Natur auch nicht 
dem kleinsten Teile derselben den Zwang einer aufgebrachten 
subjektiven Meinung auferlegt und so den Reichtum einer 
immer neuen Anschauung vermittelt. 
ES ziehen also diese vorgesaßten Meinungen, von welchen 
sich der Künstler am besten dadurch befreit, daß er die jeder 
Erscheinung eigene Individualität zu erkennen sucht, der 
Originalität einen engern Kreis. 
XVIE 
Jede Erscheinung kann ihrem lebendigen Gehalte nach 
auf ebensoviele Arten zur künstlerischen Anschauung gebracht 
werden, als es schaffende Individuen giebt. Auf diesem un- 
endlich mannigfachen Berhältnis des Objekts zum fühlenden 
Subjekt beruht die Originalität, ein unerläßliches Erfordernis 
zum Kunstwerk. 
Macht sich jemand die äußerliche Erscheinungsweise der 
Originalität eine8 andern zu eigen, so wird das gleichsam 
eine Schablone, mit der er jeden Stoff bearbeitet und die 
ihn von der unmittelbaren Empfindung abhält. 
42Q
	        
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