Interessen-Gemeinschaft der Familie, die den persönlichen
Egoismus ausschließt, schien es ihm ganz selbstverständlich,
ja sogar eine Pflicht. Demgemäß richtete er seinen letzten
Willen an den Senat der Stadt mit der Bitte, „dieser möge
mit den paar Gulden Geld und Geldeswert, die er hinter-
lasse und die für die Kosten eines Begräbnisses nicht hin-
reichend wären, gütigst die Skelettierung seines Leichnams,
jedoch ohne Vorwissen seines Enkel8s, vornehmen lassen und
das gewonnene Präparat eben seinem besagten Enkel und
natürlichen Erben, welcher Student der Medizin in Heidel-
verg und eines Skeletts gar sehr bedürftig sei, überweisen.“
Dieser Wunsch ging freilich gegen alle üblichen Sterbe-
gebräuche; aber der Senat der Stadt, den die Gesekesfessel
leichter drüdte als monarchische Instanzen, beschloß den
Willen des Toten zu ehren, um so mehr, als der Körper des
armen Mannes doch der Anatomie verfallen gewesen wäre,
wenn seine Glaubensgenossen ihn nicht loskausten.
So wurde denn aus dem krummen Schlaume nach
allen Regeln der Kunst ein so schönes gerades Skelett gemacht,
wie nur je eine8 auf einer Anatomie verkauft wurde, und
dann dem ahnungslosen Erben in Heidelberg die traurige
Nachricht zugleich mit der frohen gegeben. Der junge Student
kam, und mit Thränen in den Augen nahm er auf dem
Rathause seiner Vaterstadt die Erbschaft in Empfang samt
der denkwürdigen Müße, der Bahnbrecherin seines Schicksals,
welche einzig au8 der Verlassenschaft unveräußerlich geblieben
war. Das Herz voll von Gefühlen der Trauer und zärt-
licher Dankbarkeit, den Kopf verwirrt von dem Abenteuer-
lichen des Geschehnisses und unklar in jugendlicher Studier-
lust, so trug er, arm und sparsam wie weiland sein auf=-
opfernder Großvater gewesen, dessen Skelett auf seinen eigenen
Schultern durch alle die Dörfer an der schönen Bergstraße,
durch die singende Natur und die verwunderten Menschen
nach Heidelberg. Der gute Großvater, der im Leben so
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