Full text: Adolf Bayersdorfers Leben und Schriften

Interessen-Gemeinschaft der Familie, die den persönlichen 
Egoismus ausschließt, schien es ihm ganz selbstverständlich, 
ja sogar eine Pflicht. Demgemäß richtete er seinen letzten 
Willen an den Senat der Stadt mit der Bitte, „dieser möge 
mit den paar Gulden Geld und Geldeswert, die er hinter- 
lasse und die für die Kosten eines Begräbnisses nicht hin- 
reichend wären, gütigst die Skelettierung seines Leichnams, 
jedoch ohne Vorwissen seines Enkel8s, vornehmen lassen und 
das gewonnene Präparat eben seinem besagten Enkel und 
natürlichen Erben, welcher Student der Medizin in Heidel- 
verg und eines Skeletts gar sehr bedürftig sei, überweisen.“ 
Dieser Wunsch ging freilich gegen alle üblichen Sterbe- 
gebräuche; aber der Senat der Stadt, den die Gesekesfessel 
leichter drüdte als monarchische Instanzen, beschloß den 
Willen des Toten zu ehren, um so mehr, als der Körper des 
armen Mannes doch der Anatomie verfallen gewesen wäre, 
wenn seine Glaubensgenossen ihn nicht loskausten. 
So wurde denn aus dem krummen Schlaume nach 
allen Regeln der Kunst ein so schönes gerades Skelett gemacht, 
wie nur je eine8 auf einer Anatomie verkauft wurde, und 
dann dem ahnungslosen Erben in Heidelberg die traurige 
Nachricht zugleich mit der frohen gegeben. Der junge Student 
kam, und mit Thränen in den Augen nahm er auf dem 
Rathause seiner Vaterstadt die Erbschaft in Empfang samt 
der denkwürdigen Müße, der Bahnbrecherin seines Schicksals, 
welche einzig au8 der Verlassenschaft unveräußerlich geblieben 
war. Das Herz voll von Gefühlen der Trauer und zärt- 
licher Dankbarkeit, den Kopf verwirrt von dem Abenteuer- 
lichen des Geschehnisses und unklar in jugendlicher Studier- 
lust, so trug er, arm und sparsam wie weiland sein auf=- 
opfernder Großvater gewesen, dessen Skelett auf seinen eigenen 
Schultern durch alle die Dörfer an der schönen Bergstraße, 
durch die singende Natur und die verwunderten Menschen 
nach Heidelberg. Der gute Großvater, der im Leben so 
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