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Studien zur Florentiner Kunstgeschichte von
Masaccio bis Michelangelo
L.
Masaccios und Filippinos Fresken in der Brancacci-
Kapelle von S. Maria del Carmine zu Florenz
Jugend - Genialität, welche während der Arbeit eine
unerwartete Errungenschaft an die andre fügt und der Zu-
kunft fast um ein Jahrhundert der Kunstentwicklung vorgreift.
Die tiefsinnigste Auffassung voll zähen, leidenschaftlich fest-
haltenden Ernstes identifiziert sich mit der Kunstform oder
ist fie. Das Studium der Form als Licht und Schatten giebt
sich wie eine venue Entdeckung, und Masaccios Malweise
kommt wie durch ein Wunder hart an die Grenze des Er-
scheinungsprinzipes. Die breite Impastierung der Lichtpartien,
die an das sfumato streisende Behandlung der Halbschatten
zeigt mehr divinatorische Formempfindung als studiertes
Jormwissen und knüpft ebenso rätselhaft an die spätere
Kunst an. Höchstes Begreifen des Porträts, welches zum
konkret situierten Typus umgeseßt wird. Fast sprengt er
die lezte Fessel der Unfreiheit, mit Leidenschaft daran rüttelnd,
und bis zu einer schwachen Scheidewand bohrt er sich nahe
an den Stil Raffaels durch, der diese phänomenale Leiden-
schaft, dieses sich Versenken in die Sache und den granitnen
Ernst nicht hat, auch nicht braucht. Die Hände sind klein,
allgemein und ohne Studium. Die Gelenke an den Armen
schwach, an den Füßen nicht viel besser gezeichnet. Sein
Wissen von der Körperfunktion ist offenbar noch nicht groß.
Mit sicherer Naivetät springt er darüber hinweg und will,
ohne Giottos Formensprache als bloßes Ausdrucks -Behikel