386 Motive und Erläuterungen zum Entwurf eines Statuts der Carl Zeiss-Stiftung.
eines Organs zur Wahrung allgemeiner Interessen der Gesellschaft
oder des Staates sich anzumaßen, weder präventiv noch repressiv.
Dafür sind Polizei oder Staatsanwalt und Strafrichter da. — Der
moralisierende Fabrikherr oder Betriebsleiter, der sich dafür berufen
hält, Ehrbarkeit und Staatswohl — und was er von seinem be-
sondern Standpunkt aus just dazu zu rechnen für gut findet — zu
befördern nicht nur durch das eigene gute Beispiel und durch den
berechtigten Einfluß, den persönliches Ansehen, wenn. er solches
hat, in seinem Kreise ihm gewähren mag, sondern auch mit der
Peitsche angedrohter Wirtschaftsnachteile, ist in meinen Augen
eine sozial gemeinschädliche Figur. Es gereicht mir zu einiger
(renugtuung zu bemerken, daß die folgerichtige Durchführung der
in 8 57 zum Ausdruck kommenden Rechtsidee schon für sich allein,
ohne alles weitere Zutun, geeignet ist, dieser Figur auch in
Zukunft den Eintritt in den Wirkungskreis der CARL ZEISS-Stiftung
versperrt zu halten. Was aber das landesübliche Hereinpfuschen
der Arbeitgeber in die Geschäfte des Strafrichters anlangt, so ist
das überall, wo es geschieht, handgreiflicher Hohn auf alle Gerechtig-
keit. Denn geschieht es dem Richter vorgreifend, so setzt es sich
hinweg über die erste Voraussetzung jeder ordentlichen Rechts-
pflege: die Möglichkeit sicherer und erschöpfender Beweiserhebung,
und verfällt zudem noch gewöhnlich grobem Mißverhältnis zwischen
Delikt und Strafmaß: Vergehen, für welche der Richter nur auf
geringe Geldstrafe oder kurze Freiheitsentziehung erkennen darf,
maßt der Arbeitgeber, der Dienstentlassung als Strafmittel hand-
habt, sich an, mit beliebig hohem materiellen Schaden belegen
zu können. Geschieht aber jenes Hereinpfuschen dem Richter
nachhinkend, also im Sinne von Strafverschärfung, so verletzt
es die unbestrittene Forderung jeder gerechten Strafjustiz: ne bis
in idem.
So stehen also alle Nachteile, welche Titel V für irgend welche
Verstöße anzudrohen gestattet, unter der deutlichen Richtschnur:
niemals Strafe, lediglich vertragsmäßig begründeter Rechtsnachteil.
Den Unterschied, den dieses gelegentlich auch praktisch bedeutet,
kann sich jeder klar machen, wenn er die Konsequenzen erwägt,
welche die Anwendung des an vorletzter (fünfter) Stelle des $ 79
ausgesprochenen Satzes auf den Fall wechselseitiger tätlicher
Beleidigung zwischen zweien nach sich zieht, je nachdem die Dienst-
entlassung als Strafe oder als Rechtsnachteil anzusehen ist. — Daß
aber in der großen Mehrzahl der Fälle der Rechtsnachteil ungewollter-