Full text: Vorträge, Reden und Schriften sozialpolitischen und verwandten Inhalts (3. Band)

Steuersystem, 
Dem Staat gegenüber hat nun niemand ein Recht auf zu- 
künftige Vorteile, welche das Fortbestehen von gewissen KEinrich- 
tungen ihm bringen würde, oder ein Recht auf dieses F ortbestehen, 
weil es ihm bisherige Vorteile erhalten würde. Sollte aber etwa 
unter dem Namen des Rechts das Klasseninteresse derjenigen 
Stände und Volkskreise, welchen die gegenwärtigen Einrichtungen 
zu besonderem Vorteil gereichen, ins Feld geführt werden — dann 
müßte man auch die Frage aufwerfen: was ist das Deutsche Volk? 
Sind es die paar Tausende, welche als Nachkommen ehemaliger 
Feudalherren oder als deren Auskäufer und Hypothekengläubiger 
die Besitztitel an großen Stücken deutschen Bodens inne haben? 
Sind es die paar Hunderttausende, welche als Erben des alten 
Wohlstandes der Städte oder durch Glück und eigene Tatkraft 
und begünstigt durch die bisherigen Wirtschaftseinrichtungen, zu 
mehr oder minder großem Reichtum gelangt sind? 
Die richtige Antwort kann nur lauten: weder die einen noch 
die andern — sondern mit beiden zusammen auch noch von den 
fünfzig Millionen die neunundvierzig, die der weitaus größten Zahl 
nach in täglicher strenger Arbeit ihr Dasein vollbringen, mit meist 
ganz geringem persönlichen Anteil an den Gütern einer erhöhten 
Kultur, und die, jeder einzelne von ihnen bedeutungslos wie der 
Tropfen im Meer, doch in ihrer Gesamtheit das große Reservoir 
abgeben, aus welchem alle wirtschaftliche und geistige Aktion 
des Deutschen Volkes nicht minder wie die Verteidigung seines 
Bodens in letzter Reihe ihre Kraft schöpft — die breiten Schichten 
der namenlosen Geschlechter, zu welchen die oberen Stände, die 
Träger von Bildung und Wohlstand, sich verhalten nur wie 
Blüten und Früchte des Baumes zu Stamm und Wurzel, aus denen 
Blüte und Frucht ihre Nahrung ziehen. 
Und damit ist gesagt, daß unter dem (xesichtspunkt des 
allgemeinen alle Stände gleichmäßig umfassenden Volkswohls 
kein Staatswesen eine wichtigere Aufgabe haben kann als die 
Sorge, Wurzel und Stamm seines Volkstums dauernd gesund und 
kräftig zu erhalten. Träten nun sowohl nackte Klasseninteressen 
allen Bestrebungen entgegen, welche auf Beseitigung der am 
Volkskörper nagenden sozialen Übel dringen, so würde damit 
die Vertretung dieser Bestrebungen unter die Fahne gestellt sein: 
Solidarische Volksinteressen gegenüber den Prätentionen 
bevorzugter Stände!
	        
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