Full text: Systematische Rechtswissenschaft (Teil 2, [Häflte 2], Abteilung 8)

B. Das Recht der Schuldverhältn. I. Wesen d. Forderungsrechts. II. Die Haftg. d. Schuldn. 35 
ein bestimmter anderer handele. Die Verwirklichung des Forderungsrechts 
ist nur durch das Mittel fremder Handlung (die Leistung des Schuldners) 
möglich. Darum besteht das Forderungsrecht, z. B. das Recht des Dar- 
lehnsgläubigers, lediglich in einem Anspruche, d.h. in dem nur durch 
gerichtliche Geltendmachung (Klage) durchzusetzenden Recht, eine Leistung 
von einem. bestimmten anderen (dem Schuldner) zu verlangen. KEigen- 
mächtige Ausübung des Forderungsrechts ist ausgeschlossen. Das Forde- 
rungsrecht gewährt keine gegenwärtige Herrschaftserweiterung. 
Darum ist das Forderungsrecht, solange es besteht, unbefriedigt: 
die Handlung, auf die es sich richtet, ist noch nicht vollbracht. Sein In- 
halt ist auf die Zukunft gerichtet: einen bestimmten Leistungserfolg hervor- 
zubringen. Sobald der Leistungserfolg da ist, hat das Forderungsrecht 
seine Schuldigkeit getan. In seiner Befriedigung geht es unter. Sobald 
es zu dem Augenblicke sagen möchte, verweile doch, du bist so schön, 
nimmt sein Dasein ein Ende. Das Forderungsrecht ist da, damit es in 
seiner Befriedigung untergehe. Das Forderungsrecht ist nicht Zweck, 
nur Mittel des Vermögensverkehrs. 
Il. Die Haftung des Schuldners. Das durch das Forderungsrecht Persönliche 
gesetzte Schuldverhältnis erzeugt die persönliche Haftung des Schuldners SA 
für Erbringung der geschuldeten Leistung. In alter Zeit haftete der 
Schuldner mit seiner ganzen Persönlichkeit. Der Schuldner fiel, wenn er 
nicht leistete, mit Leib und Leben, mit Hab und Gut in die Gewalt des 
Gläubigers. Die Eingehung der Schuldverbindlichkeit vollzog sich durch 
Pfandsetzung der eigenen Person. Die Folge der Nichterfüllung der Schuld 
war die Schuldknechtschaft, die später in Schuldhaft sich verwandelte. Der 
letzte Rest der Haftung des Schuldners mit seinem Leibe ist die Wechsel- 
haft gewesen, die erst durch die Gesetzgebung des neuen Deutschen Reichs 
beseitigt worden ist. 
Heute bedeutet die persönliche Haftung des Schuldners nur noch die 
Haftung seines jeweiligen Vermögens. Erfüllt der Schuldner nicht, so 
erfolgt die Befriedigung des Gläubigers durch Zwangsvollstreckung in die 
schuldnerische Habe. Soweit Naturalvollstreckung (z. B. durch Wegnahme 
der geschuldeten Sache) unmöglich ist, muß das Forderungsrecht sich in 
Geld umsetzen, um den entsprechenden Wert dem Vermögen des Schuldners 
zu entnehmen. 
Die Haftung des Schuldners bleibt hinter seiner Schuld zurück, Die 
Schuld geht auf die Leistung selber, die Haftung nur auf ihren wirtschaft- 
lichen Wert. Der Gläubiger muß sich zufrieden geben, wenn ihm der 
Leistungserfolg zugute kommt. So ist der Schuldner frei, auch. wenn 
ein anderer dem Gläubiger das Geschuldete leistet. Vor allem: der 
Schuldner ist rechtlich nicht verhindert, der Schuldverpflichtung zuwider 
zu handeln. Er kann z. B. die verkaufte (noch nicht übergebene) Sache 
wiederum einem anderen gültig verkaufen und den zweiten Käufer durch
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.