B. Das Recht der Schuldverhältn. I. Wesen d. Forderungsrechts. II. Die Haftg. d. Schuldn. 35
ein bestimmter anderer handele. Die Verwirklichung des Forderungsrechts
ist nur durch das Mittel fremder Handlung (die Leistung des Schuldners)
möglich. Darum besteht das Forderungsrecht, z. B. das Recht des Dar-
lehnsgläubigers, lediglich in einem Anspruche, d.h. in dem nur durch
gerichtliche Geltendmachung (Klage) durchzusetzenden Recht, eine Leistung
von einem. bestimmten anderen (dem Schuldner) zu verlangen. KEigen-
mächtige Ausübung des Forderungsrechts ist ausgeschlossen. Das Forde-
rungsrecht gewährt keine gegenwärtige Herrschaftserweiterung.
Darum ist das Forderungsrecht, solange es besteht, unbefriedigt:
die Handlung, auf die es sich richtet, ist noch nicht vollbracht. Sein In-
halt ist auf die Zukunft gerichtet: einen bestimmten Leistungserfolg hervor-
zubringen. Sobald der Leistungserfolg da ist, hat das Forderungsrecht
seine Schuldigkeit getan. In seiner Befriedigung geht es unter. Sobald
es zu dem Augenblicke sagen möchte, verweile doch, du bist so schön,
nimmt sein Dasein ein Ende. Das Forderungsrecht ist da, damit es in
seiner Befriedigung untergehe. Das Forderungsrecht ist nicht Zweck,
nur Mittel des Vermögensverkehrs.
Il. Die Haftung des Schuldners. Das durch das Forderungsrecht Persönliche
gesetzte Schuldverhältnis erzeugt die persönliche Haftung des Schuldners SA
für Erbringung der geschuldeten Leistung. In alter Zeit haftete der
Schuldner mit seiner ganzen Persönlichkeit. Der Schuldner fiel, wenn er
nicht leistete, mit Leib und Leben, mit Hab und Gut in die Gewalt des
Gläubigers. Die Eingehung der Schuldverbindlichkeit vollzog sich durch
Pfandsetzung der eigenen Person. Die Folge der Nichterfüllung der Schuld
war die Schuldknechtschaft, die später in Schuldhaft sich verwandelte. Der
letzte Rest der Haftung des Schuldners mit seinem Leibe ist die Wechsel-
haft gewesen, die erst durch die Gesetzgebung des neuen Deutschen Reichs
beseitigt worden ist.
Heute bedeutet die persönliche Haftung des Schuldners nur noch die
Haftung seines jeweiligen Vermögens. Erfüllt der Schuldner nicht, so
erfolgt die Befriedigung des Gläubigers durch Zwangsvollstreckung in die
schuldnerische Habe. Soweit Naturalvollstreckung (z. B. durch Wegnahme
der geschuldeten Sache) unmöglich ist, muß das Forderungsrecht sich in
Geld umsetzen, um den entsprechenden Wert dem Vermögen des Schuldners
zu entnehmen.
Die Haftung des Schuldners bleibt hinter seiner Schuld zurück, Die
Schuld geht auf die Leistung selber, die Haftung nur auf ihren wirtschaft-
lichen Wert. Der Gläubiger muß sich zufrieden geben, wenn ihm der
Leistungserfolg zugute kommt. So ist der Schuldner frei, auch. wenn
ein anderer dem Gläubiger das Geschuldete leistet. Vor allem: der
Schuldner ist rechtlich nicht verhindert, der Schuldverpflichtung zuwider
zu handeln. Er kann z. B. die verkaufte (noch nicht übergebene) Sache
wiederum einem anderen gültig verkaufen und den zweiten Käufer durch