46 RUDOLPH SOHM: System des bürgerlichen Rechts.
sich durch. den Mietvertrag seines Rechtsvorgängers nicht gebunden. Er
hat dem Mieter die Sache nicht vermietet. Er schuldet dem Mieter nichts.
Er kann den Mieter aus dem Sachgebrauch entsetzen: Kauf bricht Miete.
Der Mieter kann sich, sobald lediglich die allgemeinen Regeln von Schuld-
verhältnissen gelten, nur an seinen Vermieter halten (oder dessen Erben).
An Stelle des Sachgebrauchs, den ihm der Käufer entzogen hat (aus der
Wohnung ist er entsetzt), hat er lediglich sein Forderungsrecht auf Schadens-
ersatz wegen Nichterfüllung, das ihn weder gegen Wind noch gegen Wetter
zu schützen imstande ist. Das römische Recht und mit ihm das frühere ge-
meine deutsche Recht hat alle diese Folgerungen gezogen. Das bürger-
liche Gesetzbuch aber hat im Anschluß an das preußische Landrecht dem
Recht des Mieters stärkere Kraft gegeben. Nach dem bürgerlichen Gesetz-
Kauf bricht buche gilt nunmehr reichsrechtlich der umgekehrte Satz: Kauf bricht
nicht Miete. nicht Miete. Das Mietverhältnis bleibt auch nach dem bürgerlichen Ge-
setzbuche ein Schuldverhältnis. Aber es erstreckt seine verpflichtende
Wirkung auch auf den Sondernachfolger des Vermieters, d. h. auf den-
jenigen Erwerber des Grundstücks, der nicht wie der Erbe in die gesamte
Rechtslage, sondern durch Verfügung des Vermieters nur in das Eigentum
an der Mietsache eintritt. Veräußert der Vermieter eines Grundstücks
das vermietete Grundstück, nachdem er es bereits dem Mieter (oder Pächter)
überlassen hatte (der Mieter wohnt schon in dem Hause, der Pächter ist
schon auf dem Landgute), an einen Dritten, so tritt der Erwerber des
Grundstücks an Stelle des Vermieters in das Mietverhältnis (bzw. Pacht-
verhältnis) ein: er ist nunmehr der Mietberechtigte und der Mietver-
pflichtete. Er muß dem Mieter die Wohnung, das Pachtgut lassen. Das
Recht des Mieters ist gesichert auch gegen die Veräußerungsfreiheit des
Vermieters.
Der Schutz des Mieters gegen Willkür des Vermieters ist der Grund-
gedanke, auf den das Mietrecht des bürgerlichen Gesetzbuchs gestimmt ist.
Wesen des VII. Der Dienstvertrag. Der Dienstvertrag ist der Arbeitsvertrag
Dienstvertrags. Qes bürgerlichen Gesetzbuchs. Er ist der Vertrag über entgeltliche Dienst-
leistung. Die römische Dienstmiete war ein Vertrag von minderer Be-
deutung. Sie bezog sich nur auf die Leistung von niederen Diensten
(operae illiberales). Der Dienstvertrag des bürgerlichen Gesetzbuchs aber
bezieht sich auf Dienste jeder Art, auf die Dienste des Rechtsanwalts, des
Arztes, des (nicht öffentlich angestellten) Lehrers oder Religionsdieners
ebenso wie auf die Dienste des Handarbeiters. Das ganze große Gebiet
des arbeitsmäßigen Erwerbslebens wird durch das Recht vom Dienst-
vertrag geregelt. Es gibt rechtlich keinen Unterschied zwischen liberaler
und illiberaler Arbeit mehr: jede ehrliche Arbeit ist des freien Mannes
würdig, und jede ehrliche Arbeit ist rechtlich der anderen gleich. Wie
am Mietrecht, so ist auch am Recht des Dienstvertrags die ganze Volks-
menge bis zu den gebildeten Schichten hinauf beteiligt.