HANDELS- UND WECHSELRECHT.
Von
KARL GAREIS.
Bedeutung des Einleitung. Das Handelsrecht als die Gesamtheit der Rechtsnormen,
En altemchenn. die für den Handelsstand und die Handelsgeschäfte als eigenartige Normen
jenes Standes und dieser Geschäfte gelten, ist der Hauptsache nach ein Teil
des Privatrechtssystems. Allerdings gelten für Handel und Handeltreibende
auch gewisse Normen des öffentlichen Rechtes, nämlich des Völkerrechts
und des Staats-, insbesondere Verwaltungs-(z. B. Polizei-) Rechts, als be-
sondere Normen; aber diese sind in ihrer Eigenart viel weniger bedeutend
als die auf dem Gebiete des bürgerlichen Verkehrs und des bürgerlichen
Besitzes dem Handel entstandenen und ihm _eigentümlichen Rechts-
anschauungen und Rechtsvorschriften. Und so mag denn das Handelsrecht,
von dem ein praktisch besonders wichtiger Teil sich als Wechselrecht ab-
gezweigt und vorzüglich entwickelt hat, hier als ein Stück des Privat-
rechts vorgestellt und dargestellt werden. Aber welch ein Stück! Ist
schon das Privatrecht im ganzen mit Fug als der wichtigste Teil des ge-
samten Rechtes bezeichnet worden, wie wird da geleugnet werden können,
daß das Handelsrecht, der Bahnbrecher für alle Fortschritte im Privatrecht,
den Ruhm für sich in Anspruch nehmen darf, der allerwichtigste Teil des
gesamten Rechtssystems zu sein? Denn zu den vorzüglichen Qualitäten,
die dem Handelsrecht als Teil des Privatrechts überhaupt eignen, kommt
noch der starke internationale Zug, der in diesem eigenartigen Teile des
Privatrechts weht, die Einwirkung der handeltreibenden Völker der Erde
aufeinander in der Ausbildung des besonderen Handelsrechts und des
allgemeinen Handelsrechts, und es kommt hinzu noch die hervorragende
Beteiligung des Handelsrechts an den sozialpolitischen Veränderungen.
Zweimal schon hat das Handelsrecht eine große gesellschaftliche
Verschiebung eingeleitet und durchgemacht, die mit der Entstehung
eines neuen Standes und neuer sozialpolitischer Verhältnisse unmittelbar
zusammenhängt: die erste Verschiebung ist abgetan, in der zweiten be-
finden wir uns noch. Als in die aus ritterbürtigen Burgmannen und
aus hörigen Handwerkern zusammengewürfelte Bevölkerung des jungen
deutschen Städtelebens im ırı. und ı2. Jahrhundert der freie Kaufmann
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