Full text: Systematische Rechtswissenschaft (Teil 2, [Häflte 2], Abteilung 8)

96 KARL GAREIS: Handels- und Wechselrecht, 
letztere maßgebenden des bürgerlichen Rechtes — regeln, so muß jener 
Teil möglichst scharf von den übrigen Privatrechtsverhältnissen abgegrenzt 
werden; das Anwendungsgebiet des Handelsrechts muß mit anderen Worten 
durch gut sichtbare Grenzzeichen abgemarkt werden, Solche Grenzzeichen 
waren leicht anzubringen, solange der mittelalterliche Zunftzwang herrschte, 
denn damals war das Handelsrecht einfach das Zunftrecht der Kaufleute 
und galt für diejenigen, die die Gilde der Kaufleute gewonnen hatten, 
sowohl in Rechtsgeschäften dieser untereinander (jetzt: zweiseitige Handels- 
geschäfte genannt), als auch dann, wenn ein Kaufmann gerade in seiner 
Standeseigenschaft mit Dritten, auch Nichtkaufleuten, handelte, der Kauf- 
mann als solcher auftrat. Dieselben Grenzen hatte auch die Handels- 
gerichtsbarkeit, wo solche bestand. 
Anders ist die Sache geworden, seit der Zunftzwang gefallen, Nun 
gilt es durch andere Grenzzeichen als durch das mechanische Mittel der 
Zunftmatrikel festzustellen, wer und was unter dem Handelsrecht und, wo 
ein solches noch vorhanden, unter dem Handelsgerichte steht. 
Um diese Fragen zu beantworten, stellt die moderne Gesetzgebung 
ein System von Anhaltspunkten als Regeln auf, die davon ausgehen, daß 
der objektive Begriff des Handels aufgestellt wird, — am besten durch 
Aufzählung der einzelnen zum Handel im volkswirtschaftlichen Sinne ge- 
hörigen Geschäfte, als: Spekulations-, Realisations- Anschaffung und -Ver- 
äußerung, Bankier-, Transport-, Vermittelungs- und Vertretungsgeschäfte 
Prämienassekuranz, sachumgestaltender Fabrikbetrieb und Verlags- sowie 
Buchdruckereigeschäfte und dazu Gehöriges; an diesen objektiven Aus- 
gangspunkt des Systems wird dann die personelle Fortsetzung desselben 
gereiht: wer eines oder mehrere dieser Geschäfte gewerbsmäßig betreibt, 
ist Kaufmann, und alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betriebe 
seines Handelsgewerbes gehören, sind Handelsgeschäfte; Handelsgeschäfte 
aber und die Rechtsverhältnisse des Handelsstandes als solchen sind 
Handelssachen, und eben für Handelssachen gilt das Handelsrecht. 
So wird der Umfang des Geltungsgebiets des materiellen Rechtes 
durch den Begriff der Handelssachen, auf dem der des Kaufmanns positiv- 
rechtlich steht, begrenzt; ebenso aber auch die Handelsgerichtsbarkeit, 
wenn eine solche anerkannt ist. 
Handelsgerichte SO wichtig die Existenz und Betätigung einer besonderen Handels- 
barkeit. grerichtsbarkeit, ausgeübt durch bürgerliche Standes-, Fach- oder Zunft- 
gerichte, für das Werden des Handelsrechts als Standesrecht der 
Kaufleute in Zeiten der politischen Teilung der Bevölkerung nach 
Ständen auch war, so wenig ist für die Zeit des allgemeinen Staats- 
bürgertums und eines allseitig gebildeten Juristenstandes der Bestand 
eigener Handelsgerichte zu befürworten; es ist in dieser Zeit die Handels- 
gerichtsbarkeit durch die ordentlichen Gerichte auszuüben. Der Sstaats- 
verfassungsmäßige Grundsatz: niemand soll seinem ordentlichen Richter 
entzogen werden, bedeutet, daß Standesgerichte mit einem Grundrechte des
	        
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