Literatur,
Es ist klar, daß eine besondere handelsrechtliche Literatur erst auftauchen kann,
nachdem das Handelsrecht als Sonderrecht zur Existenz und Geltung gelangt war; letzteres
trat in den hier zumeist in Betracht kommenden Ländern erst nach der Bildung des Handels-
standes als eines geschlossenen Berufsstandes und demnach erst in der zweiten Hälfte des
Mittelalters ein. Allerdings hatten sich schon vorher, in Italien zumeist, Schriftsteller veranlaßt
gesehen, sich mit Erörterung einzelner, gewisse Handelsrechtsinstitute betreffenden Fragen
zu beschäftigen; es waren dies theologische Schriftsteller, die jene Institute, namentlich den
Wechselverkehr, aber auch Renten- und Versicherungsgeschäfte, von dem Standpunkte unter-
suchten, daß die kanonischen Zinsverbote auch im Handel zu beobachten seien. So ging
der systematischen und juristisch -wissenschaftlichen Betrachtung von Handelsrechtsinstituten
eine moralisch -theologische Literatur voran, siehe hierüber WILHELM ENDEMANN, Studien in
der romanisch-kanonistischen Wirtschafts- und Rechtslehre (1874, 1883); auch KARL LEHMANN,
Lehrb. d. H. R. (1905) S. 38. und für die ältere Literatur d. H. R. siehe L. GOLDSCHMIDT,
Handb. d. H. R. 2. Aufl. (1875) $S$7—9, 23—32, 3. Aufl. S. 137—142, 464, 465. Ferner
siehe für die gesamte Darstellung der Entwickelung der Handelsrechtsliteratur die auch
hier leitende Abhandlung von L. GOLDSCHMIDT in seiner ‚Zeitschrift für das gesamte Handels-
recht“ Bd. I (1858ff.) S.ıff. THÖL, H.R. 6. Aufl. $ 24. GAREIS, Lehrb. d. H. R. in den
älteren Auflagen $ 7a, in der letzten (abgekürzt) $ 5 mit der in den Anmerkungen ebenda
(7. Aufl. 1903. S. 23 ff.) angegebenen Literatur.
Jener von einem einseitigen Standpunkt ausgehenden Einzelbetrachtung der Kanonisten
folgte erstvom Reformationszeitalter an eine besondere handelsrechtliche Literatur; sie geht
aus von italienischen Juristen, die den Instituten des Handels eine streng romanistische
Behandlungsweise zuteil werden lassen, dergestalt, daß sie sie in die Rahmen des corpus
iuris mechanisch — ohne das innere Wesen der Institute zu beachten — also mehr oder
weniger gewaltsam zu pressen suchen. Dieser Richtung gehören an B. STRACCHA (1509—1578),
S.SCACCIA (schrieb um 1618), R. de TURRI (schrieb um 1641), A. de ANSALDIS (schrieb um 1680),
J. B. de LUCA, J. M. L. de CASAREGIS u. a. In demselben Sinne berücksichtigten die
holländischen Praktiker und die deutschen Romanisten des XVII. und XVII. Jahrhunderts
nebenher einzelne Rechtsinstitute des damaligen Handels.
Als in Deutschland die Erkenntnis durchdrang, daß neben den Rechtsinstituten des
römischen auch solche des einheimischen, des deutschen Rechtes, namentlich in Stadt-
rechten, teils geschrieben teils als gewohnheitsmäßig hergebracht, sich erhalten, ja eigen-
artig fortentwickelt hatten, da begann mit der Trennung des deutschen Privatrechts vom
römischen Zivilrecht zugleich die Emanzipation eines besonderen Handelsrechts gegenüber
dem übrigen bürgerlichen Rechte. War diese Separation auch dadurch erleichtert und vom
Standpunkte der damaligen sozialen Verhältnisse sogar geboten, daß man im Handelsrecht
das Recht eines besonderen Standes, des Kaufmannsstandes erblickte, auf dessen Mitglieder
die Anwendung zu beschränken sei, so hatte diese Trennung doch die für die Theorie des
Handelsrechts ungemein nachteilige Folge, daß die Institute des Handels von ihren Wurzeln
losgerissen, der rechtsdogmatischen Grundlage beraubt und der streng juridischen Betrach-
tung entzogen wurden. An die Stelle der letzteren trat die volkswirtschaftliche oder nur
merkantil-technische Beschreibung der einzelnen Verkehrseinrichtungen des Handels; die
Eigenart des Handels, dessen Anstalten, wie man annahm, wesentlich von der Usance