Full text: Systematische Rechtswissenschaft (Teil 2, [Häflte 2], Abteilung 8)

XIV. _ RUDOLF STAMMLER: Wesen des Rechtes und der Rechtswissenschaft. 
Produktion in der einzelnen Fabrik und der Anarchie der Produktion in 
der ganzen Gesellschaft. Zufolge dieser Kollision rebelliere die Produktions- 
weise gegen die Austauschweise. In diesem sozialen Widerstreite 
müsse nach dem allgemeinen Gesetze der materialistischen Geschichts- 
auffassung die gesellschaftliche Natur der modernen Produktivkräfte durch- 
dringen; es müssen also Produktions-, Aneignungs- und Austauschweise 
dahin in Einklang miteinander gesetzt werden, daß der sozialisierten Art 
der Produktion die Kollektivierung der Produktionsmittel als natur- 
notwendiger Vorgang folge. 
Bei der kritischen Würdigung der materialistischen Geschichtsphilosophie 
darf auf die eben geschilderte besondere Anwendung im marxistischen 
Sozialismus nicht zuviel Gewicht gelegt werden. Jene Grundauffassung 
ist von einzelnen hervorragenden Nationalökonomen adoptiert worden, 
ohne daß sie die genannten sozialistischen Folgerungen gezogen hätten. 
Das wahrhaft Bedeutsame ist in der Tat jene prinzipiell lehrende Theorie. 
Und diese kann als grundlegende formale Methode nur in einer 
erkenntniskritischen Erwägung zutreffend erledigt werden. Eine solche 
ergibt, daß die materialistische Geschichtsauffassung unfertig und nicht 
ausgedacht ist. 
Kritik der Sie ist unfertig; denn sie gibt niemals eine kritische Bestimmung 
mat ase°% auf die Grundbegriffe, die sie verwendet: Gesellschaft, ökonomische 
auffassung. Phänomene, soziale Produktionsweise usw. Der vage Hinweis auf die not- 
wendig zu beachtende Technologie genügt nicht: denn es handelt sich 
hier nicht um eine theoretisch mögliche, sondern um eine praktisch 
verwirklichte Beherrschung der Natur in gesellschaftlichem Zu- 
sammenwirken. 
Sie ist nicht ausgedacht; denn sie macht sich nicht klar, welche 
Art von Notwendigkeit sie für kommende Umformungen des Rechtes 
behauptet. Dies kann nicht einfach eine Einsicht in den Werdegang be- 
deuten; so wenig wie die Erkenntnis des Werdens eines naturwissenschaft- 
lichen Lehrsatzes dessen inhaltliche Richtigkeit verbürgt. Um diese 
letztere handelt es sich gleichfalls bei der sozialen Frage. Darum ist 
die Notwendigkeit einer sozialen Änderung die Notwendigkeit des Zweckes. 
Das ist unvermeidlich, weil die grundlegende Bedingung der sozialen 
Betrachtung, nämlich die Regelung des: Zusammenwirkens, stets etwas 
bewirken und Zwecke verfolgen will. 
B. Die kritische Rechtstheorie. 
I. Fragestellung und’ Methode. Von den besprochenen Haupt- 
richtungen in der Rechtstheorie der Gegenwart hat nicht nur eine jede 
gewisse besondere Bedenken gegen sich: sie leiden. noch an einem grund- 
legenden Mangel, der ihnen gemeinsam ist und aller seitheriger Rechts- 
philosophie überhaupt beiwohnt. Es sind nämlich bislang alle hierher ge-
	        
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