Il. Kirchenregierung. 249
Mangel an Verständnis für das geistliche Wesen der evangelischen Kirche
und die Realität der geschichtlichen Erfahrungstatsachen. Jenes tritt wahr-
haft nicht in dem Streben nach rechtlicher Macht und Unabhängigkeit in
die Erscheinung. Diese haben das landesherrliche Kirchenregiment als
Mittel zur Erhaltung der evangelischen Volkskirche erkennen und schätzen
gelehrt. Unter dem Landesherrn wird die kirchliche Verwaltung von den Kirchen-
in den größeren Landeskirchen hierarchisch abgestuften kollegialen a
Kirchenregimentsbehörden geführt. Sie sind aus Geistlichen und
kirchlich bewährten Laien zusammengesetzt. Nicht selten ertönt der Ruf:
hinaus mit den „Juristen“ aus den Konsistorien, aus der Regierung der
Kirche. Erfahrene Leute sagen, daß ein ausschließlich von Geistlichen
gehandhabtes Kirchenregiment noch viel juristischer, bureaukratischer und
päpstlicher sich gestalten würde. Zu den geistlichen Mitgliedern der
Konsistorien gehören vielfach Generalsuperintendenten. Der ihrem
Amt zugrunde liegende Gedanke ist nicht irgendwie eine Analogie mit
dem Bischoftum, sondern vielmehr der, daß durch sie die kollegiale Tätig-
keit der Kirchenregimentsbehörden eine Ergänzung finde überall da, wo
es auf das Einsetzen der Persönlichkeit, mit dem Bewußtsein und dem
Einfluß der persönlichen Verantwortlichkeit ankommt. In Preußen sind im
Gebiet der Landeskirche der neun älteren Provinzen die Provinzial-
konsistorien dem Evangelischen Oberkirchenrat, in den neueren Provinzen
die Konsistorien dem Kultusminister unterstellt. Den Abschluß im Orga-
nismus des landesherrlichen Kirchenregiments bilden endlich die einem
kirchlichen Kreise (Diözese) vorgesetzten, bald kirchenregimentlich er-
nannten, bald synodal gewählten Superintendenten (Dekane), welchen
in der Regel neben der Führung des Pfarramts bestimmte jurisdiktionelle
Funktionen vorbehalten sind. Die organische Verbindung von Kirchen-
regiment und Synoden wird durch die neueren Verfassungsgesetze in der
Art hergestellt, daß auf allen Stufen die Synodalvorstände für wichtige
Fragen der Kirchenregierung, so namentlich auch bei Entscheidungen
über die Irrlehre von Geistlichen, zu einheitlichen Kollegien mit den
Kirchenregimentsbehörden verbunden sind,
II. Kirchenregierung. Die im Gebiete des Rechtes spezifisch her- Kirchen-
vortretenden Funktionen der Kirchenregierung sind die Vermögens- resiernn
verwaltung, die Ämterbesetzung und die Aufrechterhaltung‘ der Kirchen-
ordnung.
ı. Unter ihnen ist die Vermögensverwaltung die äußerlichste Vermögens-
Funktion, Zugleich diejenige, an welcher prinzipielle Gegensätze der ln
Kirchen sich am wenigsten entwickelt haben. Hat doch auch die katholische
Kirche die Mitwirkung des Laienelements hier unbedenklich eingeräumt.
Die Kirchen bedürfen der wirtschaftlichen Güter zur Deckung ihrer Real-
und Personalexigenz. Als Vermögensrechtssubjekte treten sie zunächst
notwendig unter die Privatrechtsordnung des Staates. Sie unterliegen