28 WILHELM KAHL: Kirchenrecht.
Kirchen- HI. Kirchenmitgliedschaft. Es kommt ein Dreifaches in Betracht:
mitgliedschaft. ;p rg Begründung, ihre Wirkung und ihre Beendigung.
Begründung. ı. Die Begründung der Kirchenmitgliedschaft geschieht bei Er-
wachsenen kraft eigener Wahl, bei nicht Erwachsenen kraft fremden Willens.
Die Altersgrenze dieser religiösen Selbstbestimmungsfähigkeit ist landes-
gesetzlich verschieden bestimmt. Sie schwankt zwischen dem 14., 16., 18.
und 21. Lebensjahr. Erstere ist vorherrschend, aber zweifellos zu niedrig
gegriffen. Grundsätzlich würde das 16. Lebensjahr, als Termin der Eides-
fähigkeit, zu billigen sein.
Für Erwachsene, Für Erwachsene in diesem gesetzlichen Sinne ist die Selbstbestimmung
ihrer Kirchenmitgliedschaft ein Ausfluß des bürgerlichen Grundrechts der
Gewissensfreiheit. Kraft dieses haben sie von Staats wegen die Freiheit
des Eintrittes in jede der im Staate bestehenden Kirchen- und Religions-
gesellschaften, sowie des Religions- und Konfessionswechsels. In allen
diesen Fällen ist die staatliche Anerkennung nur von dem Vorhandensein
der freien, d. h. nicht durch die verbotenen Mittel des Zwanges und der
Überlistung beeinflußten Willensentschließung abhängig. Im Falle des
Konfessionswechsels ist sie außerdem noch durch Beobachtung der im
Interesse der Rechtssicherheit staatsgesetzlich vorgeschriebenen Form be-
dingt. In der Regel wird dazu. ausdrückliche Willenserklärung‘ erfordert.
Das Preußische Allgemeine Landrechtkennt auch Anschluß durch konkludente
Handlungen. Die Preußische Maigesetzgebung hat das bestehende Recht
über die Form des Konfessionswechsels unberührt gelassen. Will jedoch
der Übertretende von den Lasten seines bisherigen Verbandes befreit
werden, so muß er die im Gesetze vom ı4. V. 73 über den Austritt aus
der Kirche vorgeschriebene Form (s. unten 3) beobachten.
Unabhängig von diesen Bedingungen der staatlichen Anerkennung
besteht aber die volle Selbständigkeit der Kirchengesellschaften, Art und
Maß der kirchlichen Voraussetzungen des Ein- und Übertrittes er-
wachsener Staatsangehöriger festzusetzen. Die Aufnahme erwachsener
Nichtchristen (Eintritt) setzt in der katholischen wie in der evangelischen
Kirche Kenntnis der Glaubenslehre und Glaubensbekenntnis voraus; außer-
dem wird zur Taufe von Nichtchristen dort die Zustimmung des Bischofs,
hier nur vereinzelt kirchenregimentliche Genehmigung‘ verlangt. In An-
sehung der Aufnahme erwachsener Christen (Übertritt) besteht dagegen,
abgesehen von Kenntnis und Bekenntnis der Glaubenslehre, zwischen den
Ansprüchen der katholischen und der evangelischen Kirche auch hier
wieder eine grundsätzliche Verschiedenheit. Zwar wurde wechselseitig bis
in die neuere Zeit, unterbrochen nur durch vereinzelte unduldsame Vor-
gänge, das Anerkenntnis einer biblisch vollzogenen Taufe festgehalten
und daher eine Wiederholung der Taufe abgelehnt. Weil aber die katho-
lische Kirche alle gültig Getauften als durch die Taufe ihr ohnehin recht-
lich und immerwährend mitgliedschaftlich zugeeignet in Anspruch nimmt,
und hiernach die Glieder einer anderen Kirchengemeinschaft als solche
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