IV. Die Kirchengesellschaften in ihrem gegenseitigen Rechtsverhältnis. 267
Austritt aus der Kirche auf den Genuß der bürgerlichen und Sstaats-
bürgerlichen Rechte einen grundsätzlichen Einfluß nicht mehr zu äußern
vermöge, geht aus dem Inhalte des schon oben erwähnten Reichsgesetzes
über die Gleichberechtigung der Konfessionen hervor.
IV. Die Kirchengesellschaften in ihrem gegenseitigen Rechts- Kirchen-
verhältnis. Dieses beruht gegenwärtig auf dem großen Grundsatze der geslchanen
Parität. Es gibt aber keinen Grundsatz, welcher vieldeutiger und miß-
bräuchlicher angewendet würde. Darum bedarf es vor allem einer ge-
naueren Begriffsbestimmung. Demnächst des Hinweises auf die konkrete
Ausgestaltung im positiven Recht. Endlich sind die Grenzen der staat-
lichen Paritätspflege zu erwägen.
ı. Begriffsbestimmung. Die sichere Handhabung des Paritäts- Parität.
begriffs setzt eine dreifache Unterscheidung voraus: Parität im kirchen-
politischen, im staatsrechtlichen und im engeren kirchenrechtlichen Sinn.
Parität im kirchenpolitischen Sinn ist das Prinzip der religions- Kirchen-
gesellschaftlichen Gleichheit der rechtlichen Selbständigkeit wie Ne)
Unterordnung im Verhältnis zum Staat. Sie bedeutet nicht die Einerleiheit
des Rechtes, sondern die Gleichheit der Lebensbedingungen im Verhältnis
des Staates zu der Mannigfaltigkeit der Religionsgesellschaften. Die Dar-
stellung des Verhältnisses von Staat und Kirche wird nachfolgend auf die
Anwendung dieses Prinzips zurückführen (s. unten V). Parität im staatS-Staatsrechtlicher
rechtlichen Sinn bedeutet die Forderung der Gleichheit der bürger- Be&if
lichen und staatsbürgerlichen Rechte der einzelnen Staatsangehörigen
ohne Rücksicht auf das religiöse Bekenntnis. Von ihr war schon vor-
stehend (s. oben III) im Zusammenhange der rechtlichen Stellung der
Kirchenglieder die Rede. Hier ist nur eine Bemerkung nachzuholen,
welche sich auf die irrtümliche Anwendungsweise dieses an sich schon im
Reichsgesetz vom 3. VIL 1869 richtig niedergelegten paritätischen Prinzips
bezieht. Es ist seine Verzerrung zur mechanischen Parität. Es kann
nicht als Konsequenz der staatsrechtlichen Parität eine zahlenmäßige,
konfessionell prozentuale Beteiligung der Staatsangehörigen an den
Ämtern der Staatsverwaltung oder an den richterlichen Stellen gefordert
werden. Diese äußerliche Handhabung‘ der Parität ist unter allen Um-
ständen abzulehnen. Sie läuft ihrem Geist und Wesen schnurstracks zu-
wider und hebt sie im letzten Erfolge wieder auf. Sie erinnert an die
primitivsten Anfänge der Entwickelung des paritätischen Prinzips in der
Verfassung und Verwaltung des älteren Reiches, wonach dem Höchst-
kommandierenden der Reichsarmee ein „aus beiden Religionsparteien zu-
sammengesetzter Kriegsrat“ zur Seite stehen mußte. In der gegenwärtigen
Staatsordnung‘ entscheidet über die Bekleidung von Staatsämtern grund-
sätzlich die Tüchtigkeit und nicht die Konfession. Parität im engeren
kirchenrechtlichen Sinne endlich bedeutet das Prinzip der Unabhängig- Kirchenrecht-
keit und grundsätzlichen Rechtsgleichheit der Konfessionen und ihrer An- Hahn Bert