Full text: Systematische Rechtswissenschaft (Teil 2, [Häflte 2], Abteilung 8)

IV. Die Kirchengesellschaften in ihrem gegenseitigen Rechtsverhältnis. 269 
namentlich auch die Aufhebung des sog. Parochialzwanges, kraft deren 
gegenwärtig sowohl den Mitgliedern einer Religionsgesellschaft freisteht, 
ob sie im Notfall eine Parochialhandlung (Taufe, Beerdigung) von dem 
Geistlichen einer anderen Konfession erbitten, als auch den Geistlichen 
selbst anheimgegeben sein muß, ob sie die erbetene Funktion ausnahms- 
weise leisten wollen. 
Die paritätische‘ Ordnung garantiert weiterhin die Integrität des Schutz des 
religionsgesellschaftlichen Tatbestandes. Kraft dieser Garantie N Ren 
darf keine Religionsgesellschaft durch die unerlaubten Mittel von Zwang Tatbestandes. 
und Überlistung die Anhänger einer anderen Religion oder Konfession 
auf die eigene Seite ziehen (Verbot der Proselytenmacherei). Ihre 
wirksamste Sicherstellung findet die Parität in dieser Hinsicht darin, daß, 
wie schon früher (s. oben III) dargelegt, die Voraussetzungen, Formen 
und Wirkungen eines bürgerlich rechtsgültigen Konfessionswechsels 
staatsgesetzlich festgestellt sind. Partikularrechtlich finden sich übrigens 
auch Strafandrohungen gegen widerrechtliche Verleitung zum Übertritt. 
Dem gleichen Zwecke der Sicherung des religionsgesellschaftlichen Tat- 
bestandes dienen ferner die staatsgesetzlichen Vorschriften über die 
religiöse Kindererziehung, insbesondere über die religiöse Erziehung 
von Kindern aus gemischter Ehe. Die schon nachgewiesene Zersplitterung 
und Ungleichheit des Landesrechts (s. oben III) steht hier der vollkommenen 
Sicherung des religionsgesellschaftlichen Tatbestandes freilich vielfach 
hindernd im Wege. 
Die paritätische Ordnung garantiert endlich die Integrität des Ver- Schutz des 
mögens. Jede Kirchen- und Religionsgesellschaft hat unter der Staats- VSPMÖSEBE: 
aufsicht und nach näherer Maßgabe der Gesetzgebung die ausschließliche 
Verfügung über ihr rechtmäßig erworbenes Vermögen. Daher kann niemand 
einer anderen Religionsgesellschaft zu vermögenswerten Leistungen oder 
Duldungen an und für sich verpflichtet sein. Zur Begründung solcher 
Verpflichtungen bedarf es jeweils eines besonderen Rechtstitels. An- 
wendungsfälle dieser Art sind z. B. die erwähnte freiwillige Leistung von 
Parochialhandlungen durch den Geistlichen einer fremden Konfession gegen 
Entschädigung; oder das Bestehen dinglicher, d. h. auf Grundstücken 
ruhenden, daher ohne Ansehen der Konfession auf jeden Rechtsnachfolger 
übergehenden Verbindlichkeiten; oder die Zugehörigkeit zu einer leistungs- 
pflichtigen politischen Gemeinde. Ein besonderer Rechtstitel ergibt sich 
vielfach auch daraus, daß nach einer an den Westfälischen Frieden an- 
geschlossenen Übung die Verschiedenheit des christlichen Bekenntnisses 
keinen Unterschied begründet in der Fähigkeit, das Patronatrecht über 
eine Kirche der anderen Konfession zu erwerben und auszuüben. Mit 
diesem Recht übernimmt der Patron auch alle aus dem Patronatverhältnis 
entstehenden vermögensrechtlichen Pflichten, und namentlich die jeweils 
nach gemeinem oder partikulärem Recht bestehende Beitragspflicht zur 
Bestreitung der kirchlichen Baulast.
	        
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