2 WILHELM KAHL: Kirchenrecht.
Simultaneum. Hauptanwendungsfall dieser Art aber ist das sog. Simultaneum,
d.h. der gemeinschaftliche Gebrauch eines und desselben Kultusgegen-
standes durch mehrere Konfessionen, insbesondere im Verhältnis von
Katholiken und Protestanten. Zwischen ihnen haben lokale Notstände
vielfach namentlich zum gemeinschaftlichen Gebrauch von Kirchen-
gebäuden geführt. Da auch hier ein Grenzgebiet. schwerer Gefahren
für den konfessionellen Frieden vorlag, hat‘ in großen Rechtsgebieten, wie
vor allem in Preußen (Allg. LdR. v. 1794 II, 11 88 309—317) und Bayern
(Rel. Ed. 88 90—07) die Staatsgesetzgebung unter dem Gesichtspunkt der
Paritätspflege ordnend eingegriffen. Nach dieser grundsätzlich überein-
stimmenden Ordnung können Simultaneen an Kirchen durch Gesetze oder
Verträge begründet sein, nach welchen sich die beiderseitigen Beteiligungs-
rechte beurteilen. Mangelt es an solchen Rechtsquellen, so wird ver-
mutet, daß jede Gemeinde mit der anderen gleiche Rechte habe. Be-
stehen Streitigkeiten bloß über Art und Maß der „Ausübung“ des Rechtes,
so ist, falls die Beteiligten sich nicht selbst zu einigen vermögen, in
Preußen landesherrliche Entscheidung vorbehalten, während in Bayern
nach neuerem Recht Verwaltungsgerichte entscheiden. Entsteht aber Streit
über das Recht selbst, so entscheiden die ordentlichen Gerichte. Haupt-
sächlich ist, im Zusammenhange mit den geschichtlichen Erfolgen der
Gegenreformation, neben Schlesien der Westen und Südwesten des Reiches
(Rheinprovinz, Westfalen, Pfalz, Reichslande, rechtsrheinisches Bayern,
Hessen) an Simultaneen dieser Art beteiligt. Bemerkenswert ist auch hier
die prinzipiell verschiedene Stellung der Konfessionen. An und für sich
lehnt das kanonische Recht die Mitbenutzung eines Kirchengebäudes durch
Häretiker ab. Aus Zweckmäßigkeitsgründen hat aber die katholische
Kirche schon im eigenen Interesse Protestanten gegenüber von der Strenge
dieses Standpunktes abgesehen. Dagegen hat eine päpstliche Verfügung
von 1873 den Altkatholiken gegenüber die strenge Konsequenz festgehalten.
Diesen ist die protestantische Kirche in der schwierigen Zeit des Über-
gangs durch Einräumung des Mitgebrauchs von Kirchengebäuden vielfach
hilfreich entgegengekommen. Denn ein Grund prinzipieller Ablehnung
von Simultaneen besteht für sie nicht. Da sie aber ihren Besitzstand unter
fortwährenden Kämpfen zu verteidigen hat, strebt sie der Ablösung dieser
Verhältnisse zu und es kommt vor, daß aus landes- oder provinzialkirch-
lichen Mitteln den Gemeinden Beihilfen für diesen Zweck geleistet werden.
Eine Neubegründung von Simultaneen ist in den deutschen Gebieten
französischen Rechtes ausgeschlossen.
Grenzen der 3. Die Grenzen der staatlichen Paritätspflege liegen in ihrem
Paritätspflese. Zweck, Sie bezweckt die Handhabung der Gerechtigkeit und die Er-
haltung des Rechtsfriedens im Verhältnis der Konfessionen. Dagegen
kann die Überwindung der innerkirchlichen dogmatischen oder recht-
lichen Gegensätze der Konfessionen nicht in der Aufgabe der staatlichen
Paritätspflege gelegen sein. Dies äußert Wirkungen nach zwei Seiten.
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