XXX RUDOLF STAMMLER: Wesen des Rechtes und der Rechtswissenschaft.
denjenigen, der nach jener Methode eingesehen und konkret bearbeitet
ist und darum objektiv richtig heißen kann, und den, welchem diese
Eigenschaft fehlt (vgl. auch A.Tta.E)
Nach einem objektiv gerechtfertigten Wollen strebt ja jeder-
mann; zum mindesten möchte er es für ein Urteil über Entschließungen
anderer wohl haben. Das Problem der Richtigkeit eines bestimmten
Wollens ist also in der Sache keineswegs nur ein solches des theoretischen
Nachdenkens. Am wenigsten hat dieses, wie vordem (B. ı) schon bemerkt,
besondere Zwecke zu erfinden oder gewisses Wollen dem Stoffe nach
zu erschaffen. Vielmehr soll es das systematische Urteil über
natürlich erstehende Strebungen und Ziele objektiv begreiflich machen
und eine methodische Bearbeitung des bedingten Stoffes eines sonst
wilden Sehnens und Drängens zu ermöglichen. Nur in der Schärfe der
Einsicht und in der Klarheit der Gedanken vermag die Theorie von dem
undeutlichen und nebelhaften Behaupten nach sogenanntem „Gefühl“ sich
zu unterscheiden, mit einem schöpferischen Produzieren neuen Stoffes des
Wünschens und des Wählens hat sie begründetermaßen nichts zu tun.
Zwei Aufgaben Bei der Betätigung dieses Berufes einer kritisch arbeitenden Theorie
She ergibt sich nun in dem Zusammenhange dieser Betrachtungen eine klärende
Scheidung von zwei Aufgaben des richtigen Wollens. Dieses kann
einmal ein solches sein, das der einzelne für sich hegt. Den Stoff bilden
dabei die wünschenden Gedanken, die für sich, auch ohne im geringsten
in äußere Erscheinung zu treten, gut oder schlecht sein können. Es ist
die Lauterkeit des Charakters, die Reinheit und Wahrheit seines Innern,
die hier dem einzelnen zur Aufgabe gestellt wird, zu einer Aufgabe,
deren Erfüllung ihm das Wichtigste in seinem ganzen Leben sein muß.
Mit Grund hat man gesagt, daß Unwahrheit vor sich selbst und sich
eigens betrügender Widerspruch den Begriff der inneren Schlechtigkeit.
erfüllen, es aber für den Menschen nichts Schlimmeres geben könne, als
die daraus entspringende Selbstverachtung., Davor den einzelnen zu
bewahren, ihn zu der richtigen Arbeit an seinen inneren Wünschen und
bloßen Gedanken anzuleiten: das ist die Aufgabe der sittlichen Lehre.
Wenn so das sittliche Wollen als ein Innenleben des einzelnen für
sich erscheint, so ist das soziale Wollen die regelnde Anordnung, die
mehrere Menschen zu gemeinsamer Zweckverfolgung verbindet. Es ist
ein Wollen für andere. Dabei ist es für jetzt noch gleichgültig, wer
dieses Wollen äußert und setzt, es genügt und ist hier entscheidend, daß-
der Inhalt dieses Wollens nicht mehr die Richtung auf die eigenen
Gedanken als solche nimmt, sondern auf die Art des Zusammen-
wirkens mehrerer, die diesem jetzigen Wollen unterstellt sein sollen.
Aber auch dieser Inhalt des sozialen Wollens soll objektiv richtig sein.
Es soll eine rechte Art des Zusammenwirkens nach ihm bestehen. Die
methodische Möglichkeit hierfür zu liefern: das ist die Aufgabe des
richtigen Rechtes.