E. Das Landesstaatsrecht. IV. Die Behörden. V. Die Beamten oder Staatsdiener, 331
Verfassungen und durch besondere Gesetze erfolgt. Der Gerichtshof, welcher
auf Ministeranklagen zu erkennen hat, kann keine öffentliche Strafe, sondern
nur Amtsentsetzung aussprechen. Aus diesem Grunde stehen diese „Staats-
gerichtshöfe“ nicht im Widerspruch mit dem Gerichtsverfassungsgesetz.
Das landesherrliche Begnadigungsrecht ist ausgeschlossen. Bei den heutigen
Verhältnissen ist das ganze Rechtsinstitut, welches in der Verfassungs-
geschichte Englands ehemals eine so wichtige Rolle gespielt hat und eng-
lischen Einrichtungen nachgebildet ist, nicht mehr von praktischer Bedeutung.
Um die Verantwortlichkeit des Ministers nach zwei Seiten hin möglich zu
machen, ist er berechtigt, die Gegenzeichnung‘ und Ausführung landesherr-
licher Anordnungen zu verweigern, ohne daß ein landesherrlicher Befehl ihn
daran hindern kann, und jederzeit seine Entlassung aus dem Amt zu verlangen.
Den Ministern sind die anderen Behörden untergeordnet. Das Be- Behördensystem.
hördensystem der einzelnen Staaten ist, schon wegen der verschiedenen
Größe derselben, sehr verschieden; Bezeichnung, Geschäftsverteilung und
Organisation sind mannigfach. Jedoch ist teils wegen der Gleichartigkeit
der Aufgaben und Bedürfnisse, teils infolge der in den Reichsgesetzen ent-
haltenen Vorschriften die Verschiedenheit in Wirklichkeit nicht so groß
wie es den Anschein hat. Überall sind drei Hauptarten von Behörden zu
unterscheiden, Gerichte, Verwaltungsbehörden und Militärbehörden. Hin-
sichtlich der inneren Verfassung zerfallen die Behörden in kollegialische
und nach dem Bureausystem organisierte, d.h. solche, bei denen der Chef
allein die endgültige Entscheidung hat und demgemäß auch die Ver-
antwortung trägt. Zur Prüfung der Rechnungen und zur Sicherung einer
ordentlichen, sparsamen, zweckmäßigen und dem Etatsgesetz entsprechenden
Verwaltung besteht eine Rechnungsbehörde, welche dem gesamten Ver-
waltungsorganismus, auch dem Ministerium, selbständig und unabhängig
gegenübersteht.
V. Die Beamten oder Staatsdiener. Zur Besorgung der Staat- Begriff.
lichen Geschäfte werden die dazu geeigneten (z. B. durch Ablegung der
vorgeschriebenen Prüfungen qualifizierte) Personen angestellt. Nicht jeder,
welcher staatliche Geschäfte besorgt, ist ein Beamter. Einerseits unter-
scheidet er sich von Personen, welche wie Lieferanten, Bauunternehmer
u. dgl. dem Staat in einem privatrechtlichen Verhältnis gleichberechtigt
gegenüberstehen; anderseits von denjenigen, welche eine gesetzliche Unter-
tanenpflicht, z. B. als Soldaten, Geschworene, Schöffen usw. erfüllen müssen;
sie mögen wollen oder nicht. Niemand kann Beamter werden ohne ein
zweiseitiges Rechtsgeschäft, die sog. Anstellung, welches zwischen ihm
und dem Staate abgeschlossen wird, Es genügt nicht, daß er einer An-
stellungsverfügung nicht widerspricht; er muß positiv einwilligen und ge-
schäftsfähig sein. Die Anstellung ist sonach ein Vertrag. Aber das durch
diesen Vertrag begründete Verhältnis ist kein obligatorisches, sondern ein
öffentlich-rechtliches, indem der Beamte in ein Gewaltverhältnis zum Staate