382 .GERHARD ANSCHÜTZ: Verwaltungsrecht I (Justiz und Verwaltung).
ständigkeit in keiner Weise kreuzt. Diese neue Organisation gliedert sich
in zwei Stufen: Unterinstanz ist die Giunta provinciale amministrativa
(eine für jede Provinz; die Giunta besteht aus dem Präfekten der Provinz,
zwei vom Minister des Innern bezeichneten Präfekturräten, also Ver-
waltungsbeamten, und vier vom Provinzialrat gewählten Laien: es ist fast
genau die Formation des preußischen Bezirksausschusses, dem die Giunta
auch darin gleicht, daß sie zugleich Verwaltungsbehörde und Verwaltungs-
gericht ist), Oberinstanz die durch Gesetz vom 31. März 1889 begründete
vierte Abteilung des Staatsrats (Quarta sezione del Consiglio di Stato).
Letztere, wie die anderen (konsultativen) Abteilungen des Staatsrats aus
einem Präsidenten und acht Mitgliedern (alle auf Lebenszeit und mit den
Garantieen richterlicher Unabhängigkeit vom König ernannt) bestehend,
entscheidet einerseits über Rekurse gegen Urteile der Giunta, andererseits
in erster und einziger Instanz. Die sachliche Zuständigkeit der Giunta ist
durch die Gesetze aufzählend, die der Staatsratssektion aufzählend und
durch Generalklausel bestimmt. Es handelt sich bei dieser Zuständigkeit
durchweg um Streitsachen, bezüglich deren der ordentliche Rechtsweg
ausgeschlossen ist, sei es, daß dieser Ausschluß auf positiven KEinzel-
vorschriften, sei es, daß er auf dem Prinzip des Gesetzes von 1865, das
heißt darauf beruht, daß im Einzelfalle entweder kein bürgerliches oder
politisches Individualrecht oder überhaupt kein Recht, sondern nur ein
Interesse der durch einen Verwaltungsakt benachteiligten Partei geltend
gemacht werden kann. So erstreckt sich insbesondere die Zulässigkeit
des Rekurses bei der IV. Sektion des Staatsrats auf alle Fälle administrativer
Inkompetenz, Machtüberschreitung und Gesetzesverletzung, ferner auf die-
jenigen Fälle, wo die Partei durch einen Verwaltungsakt in ihren Interessen
verletzt zu sein behauptet. Gerade der Interessenschutz steht, neben dem
Schutz der Verwaltungsrechtsordnung als solcher, im Vordergrunde der
Aufgaben dieser modernen italienischen Giustizia amministrativa.
C. Kompetenzkonflikte.
Begriff, I. Begriff des Kompetenzkonflikts. Kompetenzkonflikte (franz.
conflits d’attributions) sind Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen Justiz und
Verwaltung. Zur Verwaltung im Sinne dieser Gegenüberstellung rechnet
auch die Verwaltungsrechtspflege: auch Streitigkeiten über die Kompetenz
zwischen ordentlichen Gerichten und Verwaltungsgerichten sind Kompetenz-
konflikte und werden als solche behandelt.
Positiver Es ist zu unterscheiden zwischen positiven und negativen Kompetenz-
Se entetern konflikten. Der Fall des positiven Konflikts liegt vor, wenn eine Sache
konfik. von jedem der beiden Streitenden als zu seiner Kompetenz gehörig in
Anspruch genommen wird, während man von einem negativen Konflikt
spricht, wenn beide, Justiz wie Verwaltung, ihre Zuständigkeit ablehnen.