B. Die Mitglied. d. völkerrechtl. Verbandes, I. Entstehg., Unterg., Kontinuität d. Staates. 435
Regierungsakte nach dem Willen einer übergeordneten Macht vorzunehmen
oder zu unterlassen. Ihre Souveränität wird dadurch noch nicht auf-
gehoben. Durch welche Organisation, mit welcher Staatsform, unter
welcher Verfassung sie ihre Herrschaft übe, ist für die internationale Per-
sönlichkeit des Staates erst von sekundärer Bedeutung. Endlich wird dem
unter einer souveränen Gewalt politisch organisierten Volke Staatsqualität
nur dann zugesprochen, wenn es in ausschließlicher Beziehung zu einem
in feste Grenzen zusammengeschlossenen Landgebiete steht. Zum Staate
gehört das Land. Dem modernen Völkerrecht erscheint die territoriale
Qualifikation des Staates gegenüber der personalen als die höhere und
vornehmere.
Die Frage aber, ob im Einzelfall ein tatsächlich bestehender Volks-
verband bereits staatlichen Charakter trage, also Subjekt völkerrechtlicher
Ansprüche und Pflichten sei, wird mit seiner eigenen Erklärung noch
nicht endgültig entschieden. Vielmehr ist es bei dem Mangel einer höchsten
internationalen Instanz lediglich die Staatengesellschaft selbst, die über
die Aufnahme eines neuen Gliedes in ihre Mitte entscheidet. Nur ist die
Aufnahme niemals ein Akt freischaffender Willkür. Sie kann nicht ver-
sagt werden, sobald die Vorbedingungen gegeben sind, also eine konsti-
tuierte Regierung sich in tatsächlichem Besitz souveräner Herrschaft über
Land und Volk befindet und fähig ist, die Verantwortung für die Erfüllung
der völkerrechtlichen Pflichten zu übernehmen. Formvorschriften für die
Aufnahme bestehen nicht. Regelmäßig ist sie eine stillschweigende, und
vollzieht sich durch konkludente Handlungen der einzelnen Staaten, wie
Anknüpfung amtlicher Beziehungen, Abschluß von Verkehrsverträgen.
Doch hat das Streben nach Einheitlichkeit und Solennität des Aktes zur
Ausbildung eines besonderen Anerkennungsverfahrens geführt. Es besteht
in dem Abschluß von besonderen Verträgen der führenden Mächte mit
dem Neustaate, durch welche diesem, sei es mit einer Auflage, sei es
unbeschränkt, Friede und Freundschaft zugesichert wird.
Der Staat geht unter bei dem Wegfall einer der Voraussetzungen Das
seines Bestandes. Ohne einen solchen wäre die Versagung fernerer An- Staatsfolgerecht.
erkennung durch eine fremde Regierung unwirksam und eine Verletzung
seiner Persönlichkeit. Demnach würde ein auswanderndes Volk seinen
Staat nicht verpflanzen können und die bloße Identität des Territoriums
dem Staate, der dort bestand, keine Kontinuität verschaffen. Insbesondere
kommt er zum Untergang durch Vernichtung der öffentlichen Gewalt. Es ist
der einzig praktische Fall. Mit diesem Momente erlischt rechtsnotwendig die
Verfassung des Landes, im materiellen Sinne des Wortes; also die
Herrscherstellung des bisherigen monarchischen, die Autorisation eines
republikanischen Staatsoberhaupts, die Amtsvollmacht der Behörden, die
Funktion der Volksvertretung, die Staatsbürgereigenschaft der Inländer,
die Nationalität der Schiffe. Desgleichen sind aufgehoben die von dem
untergegangenen Staate geschlossenen völkerrechtlichen Verträge. Eine
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