Full text: Systematische Rechtswissenschaft (Teil 2, [Häflte 2], Abteilung 8)

B. Die Mitglied. d. völkerrechtl. Verbandes, I. Entstehg., Unterg., Kontinuität d. Staates. 435 
Regierungsakte nach dem Willen einer übergeordneten Macht vorzunehmen 
oder zu unterlassen. Ihre Souveränität wird dadurch noch nicht auf- 
gehoben. Durch welche Organisation, mit welcher Staatsform, unter 
welcher Verfassung sie ihre Herrschaft übe, ist für die internationale Per- 
sönlichkeit des Staates erst von sekundärer Bedeutung. Endlich wird dem 
unter einer souveränen Gewalt politisch organisierten Volke Staatsqualität 
nur dann zugesprochen, wenn es in ausschließlicher Beziehung zu einem 
in feste Grenzen zusammengeschlossenen Landgebiete steht. Zum Staate 
gehört das Land. Dem modernen Völkerrecht erscheint die territoriale 
Qualifikation des Staates gegenüber der personalen als die höhere und 
vornehmere. 
Die Frage aber, ob im Einzelfall ein tatsächlich bestehender Volks- 
verband bereits staatlichen Charakter trage, also Subjekt völkerrechtlicher 
Ansprüche und Pflichten sei, wird mit seiner eigenen Erklärung noch 
nicht endgültig entschieden. Vielmehr ist es bei dem Mangel einer höchsten 
internationalen Instanz lediglich die Staatengesellschaft selbst, die über 
die Aufnahme eines neuen Gliedes in ihre Mitte entscheidet. Nur ist die 
Aufnahme niemals ein Akt freischaffender Willkür. Sie kann nicht ver- 
sagt werden, sobald die Vorbedingungen gegeben sind, also eine konsti- 
tuierte Regierung sich in tatsächlichem Besitz souveräner Herrschaft über 
Land und Volk befindet und fähig ist, die Verantwortung für die Erfüllung 
der völkerrechtlichen Pflichten zu übernehmen. Formvorschriften für die 
Aufnahme bestehen nicht. Regelmäßig ist sie eine stillschweigende, und 
vollzieht sich durch konkludente Handlungen der einzelnen Staaten, wie 
Anknüpfung amtlicher Beziehungen, Abschluß von Verkehrsverträgen. 
Doch hat das Streben nach Einheitlichkeit und Solennität des Aktes zur 
Ausbildung eines besonderen Anerkennungsverfahrens geführt. Es besteht 
in dem Abschluß von besonderen Verträgen der führenden Mächte mit 
dem Neustaate, durch welche diesem, sei es mit einer Auflage, sei es 
unbeschränkt, Friede und Freundschaft zugesichert wird. 
Der Staat geht unter bei dem Wegfall einer der Voraussetzungen Das 
seines Bestandes. Ohne einen solchen wäre die Versagung fernerer An- Staatsfolgerecht. 
erkennung durch eine fremde Regierung unwirksam und eine Verletzung 
seiner Persönlichkeit. Demnach würde ein auswanderndes Volk seinen 
Staat nicht verpflanzen können und die bloße Identität des Territoriums 
dem Staate, der dort bestand, keine Kontinuität verschaffen. Insbesondere 
kommt er zum Untergang durch Vernichtung der öffentlichen Gewalt. Es ist 
der einzig praktische Fall. Mit diesem Momente erlischt rechtsnotwendig die 
Verfassung des Landes, im materiellen Sinne des Wortes; also die 
Herrscherstellung des bisherigen monarchischen, die Autorisation eines 
republikanischen Staatsoberhaupts, die Amtsvollmacht der Behörden, die 
Funktion der Volksvertretung, die Staatsbürgereigenschaft der Inländer, 
die Nationalität der Schiffe. Desgleichen sind aufgehoben die von dem 
untergegangenen Staate geschlossenen völkerrechtlichen Verträge. Eine 
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