F. Die Rechtsverhältn. d. Staatenverk.. II. Die Rechtsverletzungen. III. Zwangsmittel. 459
Ersatzpflicht den Schaden in seiner gesamten Ausdehnung zu erfassen hat,
sofern nur ein Kausalzusammenhang mit dem schadenbringenden Ereignis
vorhanden ist.
Neben dem Recht auf Schadensersatz steht die Forderung auf Genug- Genugtuung.
tuung. Sie gründet sich auf ein von dem verletzten Staat als ehren-
kränkend empfundenes Unrecht. Die Sühne kann durch mannigfache
Regierungsakte zu leisten sein, die von dem Grade der Verletzung ab-
hängen und in das billige Ermessen des Fordernden gestellt sind. Das
äußerste ist die zeremonielle Huldigung der satisfaktionspflichtigen Regierung
vor der beleidigten Staatsgewalt.
III. Zwangsmittel. Das Völkerrecht gibt aber dem in seinen vertrags- Repressalien.
mäßigen oder allgemeinen Rechten schuldhaft beeinträchtigten Staat für
schwerere Fälle die Befugnis, Schadensersatz und Genugtuung auch durch
Selbsthilfe sich zu verschaffen, ohne den Friedenszustand preiszugeben;
vorausgesetzt, daß der diplomatische Weg sich hierfür als nicht gangbar
erweist. Dem dient der aus dem Recht des Mittelalters übernommene,
freilich im Laufe der Neuzeit unter weitgehende Beschränkungen gestellte
Repressalienbrauch. Es handelt sich hierbei um spezielle Gewaltakte,
die von der Regierung gegen einen fremden Staat als Vergeltung für
eine zugefügte Rechtsverletzung verhängt werden. Mittel, Art und Ver-
fahren kann sehr verschieden ausfallen. Nur sollen Repressalien ver-
hältnismäßig sein. Zulässig ist das Embargo, d.h. die Pfandnahme von Friedens-
Seeschiffen. Daß auch eine Blockade repressalienweise verhängt werden "°“Hade
darf, ist nach den zahlreichen Präzedenzfällen nicht zu bezweifeln. Frei-
lich hat sich der Rechtssatz, daß auch Schiffe einer dritten, nicht ein-
willigenden Macht die Friedensblockade zu respektieren haben, bis jetzt
nicht durchzusetzen vermocht.
Weiter als die Repressalien geht die Intervention. Sie ist ein ZU- Intervention.
lässiges Zwangsmittel. in dem Sinne, daß jede Regierung die Befugnis
hat, die rechtlichen Interessen ihres Landes und ihrer Angehörigen außer-
halb der eigenen Hoheitsgrenzen durch tatsächliche Machtentfaltung dann
zu schützen, wenn die durch die territorial zuständige Staatsgewalt völker-
rechtlich zu leistende Gewähr des Schutzes sich als unwirksam erweist.
Ein typischer Fall war die Kollektivintervention der Mächte in China 1900,
veranlaßt durch die Ermordung des deutschen Gesandten und die Un-
fähigkeit oder Abneigung der Landesregierung, den fremdenfeindlichen
Aufstand zu unterdrücken. Die nach Durchführung der Militärexpedition
gestellten Forderungen der Mächte (Kollektivnote vom 27. Dezember 1900)
wurden von chinesischer Seite angenommen und erfüllt (Schlußprotokoll
vom 7. September 1901, aufgenommen zwischen den elf fremden und den
chinesischen Bevollmächtigten).
Freilich ‚zeigt die Erfahrung, daß bei Ausübung solcher nicht
kriegerischer Feindseligkeiten, sobald ihnen mit Gewalt begegnet wird,