Full text: Systematische Rechtswissenschaft (Teil 2, [Häflte 2], Abteilung 8)

H. Der Krieg und sein Recht. VIII. Die Beendigung des Kriegszustandes. 491 
Bestätigung früherer Verträge. Immer aber wird durch ihn, soweit seine 
Bestimmungen reichen, ein neuer Rechtszustand zwischen den Kontra- 
henten begründet. Er beseitigt den Kriegsgrund, und die Nichterfüllung 
der darin gegebenen Zusagen ist nicht Friedensbruch, sondern Vertrags- 
verletzung. 
Der geschlossene Frieden macht, und zwar im Zweifel mit der Unter- Wirkung des 
zeichnung der Urkunde, jeder militärischen Aktion gegen den Gegner, Nas 
sowie gegen Neutrale, ein Ende. Später erfolgende Schädigungen sind 
zu vergüten, mit Beschlag belegte feindliche oder neutrale Güter heraus- 
zugeben oder zu ersetzen. Die neueren Friedensschlüsse neigen dazu, 
überhaupt die kraft des Seebeuterechts gemachten Prisen, sofern sie noch 
nicht kondemniert sind, zurückzugeben. Kriegsgefangene sind zu entlassen, 
HR 20; sofern sie sich nicht einer Straftat schuldig gemacht haben. 
Auch ohne ausdrückliche Klausel gewährt der Friedensschluß gegen- Amnestie. 
seitige Amnestie in dem Sinne, daß zivil- oder strafrechtliche Ansprüche 
aus Handlungen und Maßregeln, die in Ausübung von Feindseligkeiten 
vorgenommen worden sind, selbst wenn sie nicht völkerrechtsgemäß 
waren, gegen den feindlichen Staat und seine Angehörigen nicht mehr 
gerichtsanhängig gemacht werden können. Ansprüche aus Neutralitäts- 
verletzungen bleiben unberührt. 
Dem Definitivfrieden pflegen Präliminarien, in der Regel kombiniert Friedens- 
mit allgemeinen Waffenstillstandsverträgen, vorauszugehen. Sie sind Säle 
entweder bloße pacta de contrahendo, oder normieren einen provisorischen 
Rechtszustand; oder auch bereits den definitiven, aber unter Vorbehalt 
einer Ergänzung und solennen Bestätigung. 
Schluß. Damit fügen sich die Linien derjenigen Rechtsordnung, 
die die moderne Welt als ihr Völkerrecht begreift, zu einem wohl- 
abgerundeten Ganzen zusammen. Erwachsen ist es ursprünglich aus dem 
Kriegszustande und noch heute steht und fällt es mit dem Kriege; und 
der Gedanke, daß mit den Mitteln und Formen, die es gewährt, die 
Abschaffung des Krieges im Wege Rechtens durchgeführt oder auch nur 
vorbereitet werden, daß das Völkerrecht sich selbst aus seinen Angeln 
heben könnte, ist nichts anderes als ein Hirngespinst. Aber von dem 
Phänomen des Krieges ausgehend, hat das Völkerrecht in zunehmender 
Klärung und Entfaltung das Recht des Friedenszustandes erfaßt, den es 
als die normale Ordnung der Staatenwelt anerkennt und fordert. Die 
Axiome, die es einstmals hierbei zugrunde legte: die Souveränität des 
Einzelstaats, die rechtliche Bindekraft des Staatsvertrags, die Freiheit der 
Neutralität, waren einfach gering an Zahl und disparat. Erst der hinzu- 
tretende Gedanke, daß die Staaten nicht isoliert nebeneinander bestehen, 
daß sie die Glieder einer weltumfassenden Interessengemeinschaft bilden, 
hat aus jenen dürftigen und zerstreuten Sätzen ein System entstehen 
lassen, welches zu einem unübersehbaren Reichtum von Rechtsnormen
	        
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