A. Geschichtl. Einleit. I. Das Privatrecht u. die Kultur. II. Bäuerl. u. bürgerl. Privatrecht. 3
Mittelalters im Grunde kein deutsches, sondern nur sächsisches, schwä-
bisches, fränkisches Privatrecht usf, Innerhalb der einzelnen Stammes-
länder setzten sich wiederum zahlreiche örtliche Rechtsverschiedenheiten
durch. Eine naturalwirtschaftliche Zeit hat kein Interesse an einheitlicher
Rechtsgestaltung für größere Gebiete. An jedem einzelnen Orte gelten
die dort üblichen Besitzformen. Solange der Verkehr nicht eingreift, er-
scheint es als gleichgültig, welche Besitzformen an anderen Orten in Kraft
sind. Das bäuerliche und junkerliche Privatrecht des Mittelalters beharrt
daher auf dem Boden des Partikularismus. Der Gedanke eines deut-
schen Rechtes ist noch gar nicht da.
Der geborene Träger der Idee eines einheitlichen deutschen Rechts Bürgerliches
war der deutsche Bürgersmann, der deutsche Kaufmann. Er ist der At
Vertreter des Verkehrs, und der Verkehr wird durch Örtliche Rechts-
verschiedenheit behindert. Er verlangt grundsätzlich überall gleiches Recht.
Mit dem Ende des Mittelalters erhob sich auch in Deutschland die Geld-
wirtschaft. Der geldwirtschaftliche Verkehr zog aus den Toren der
Städte, wo natürlich zunächst die kaufmännische Art aufgekommen war,
auf das platte Land hinaus, um auch den Grundbesitz in Geld zu ver-
wandeln. Städtisches, bürgerliches Wesen gewann Gewalt auch über das
platte Land. Zugleich trat die gelehrte, in den Städten sich niederlassende
humanistische Bildung an die Stelle der teils höfischen, teils klerikalen
Bildung des Mittelalters. Die Kraft des deutschen Kulturlebens wohnte
jetzt in der Stadt. Es kam die Zeit des städtischen (bürgerlichen) Staates.
Es kam die Zeit des städtischen (bürgerlichen) Rechts.
Die Ausbildung eines bürgerlichen Privatrechts ist bei uns in Deutsch- Aufnahme des
land zunächst in der Form der Aufnahme des römischen Rechts vor re hen
sich gegangen, die im 16. Jahrhundert sich vollzog. Der innere Grund für Rechts.
diesen merkwürdigen Vorgang lag in dem unwiderstehlichen Bedürfnis der
Zeit einerseits nach einem einheitlichen (gemeinen), für das ganze Reich
geltenden, anderseits nach einem bürgerlichen Privatrecht. Die geld-
wirtschaftliche Zeit verlangte ein geldwirtschaftliches Recht, ein Recht an
erster Stelle nicht des Besitzes, sondern des Verkehrs. In Frankreich
und England war die große Umwälzung, -die von dem ländlich-feudalen
Recht des Mittelalters zu dem bürgerlichen Recht der Zukunft hinüber-
führte, durch ein starkes nationales Königtum auf dem Boden des natio-
nalen Rechts vermittelt worden. In Deutschland fehlte es zu der ent-
scheidenden Zeit an einer leistungsfähigen Reichsgewalt. Das deutsche
Kaisertum war im Interregnum gefallen, und die deutsche Rechtsentwicke-
lung seitdem sich selber überlassen. So kam es, daß das Bedürfnis der
Zeit durch eine wissenschaftliche Bewegung befriedigt wurde, die mit
Hilfe eines fremden Rechts, des römischen Rechts, ein gemeines bürgerlich
geartetes Privatrecht für das deutsche Reich hervorbrachte.
Die Rechtsprechung ging im Laufe des 16. Jahrhunderts von den Un-
gelehrten (Rittern und Bauern) in die Hände von Gelehrten über. Die