82 $ 10. Die praktischen Probleme in der dogmatischen Philosophie.
gemäß richtet. Dem dogmatischen Idealismus, der auf dem
theoretischen Gebiete die Erkenntnis auf die jeweilige Wahr-
nehmung beschränkt und das beharrliche Sein negiert, ent-
spricht auf dem praktischen Gebiete dieser, „Hedonismus“,
der folgerichtig jede anderweitige ethische Norm ablehnt. Ver-
möge dieser Negation aller timetischen Normen entfallen
für die hedonistische Ethik natürlich auch die in diesen Normen
enthaltenen Probleme.
Wie aber jene sensualistische Negation der objeetiven Welt
dogmatisch bleibt, indem sie die tatsächliche Überzeugung
von der Existenz einer Welt unabhängig von unserer Wahr-
nehmung und den Gegensatz wahrer und falscher Behauptungen
über das Dasein in dieser Welt unbeachtet und unerklärt Jäßt,
so bleibt auch diese hedonistische Ethik dogmatisch, inso-
fern sie die timetischen Moralbegriffe nur eben negiert, ohne
eine Erklärung für den Einfluß zu geben, den dieselben zu
alien Zeiten auf die Willensbestimmung ausüben. Durch diesen
tatsächlichen Einfluß erweist der Wert der Tugend und des
Rechtes mit ihren allgemein verbindlichen Vorschriften sein
Dasein trotz aller theoretischen Negation. Die hedonistische
Theorie : vermag diesen Wert nicht zu erklären und bleibt
daher nicht bloß mit der Überlieferung, sondern auch mit der
naiven Erfahrung im Widerspruch.
Noch bedenklicher aber sind die Widersprüche, die sich
innerhalb der hedonistischen Theorie selbst dadurch ergeben,
daß die Wirkungen unserer Handlungen nicht bloß für den
jeweiligen Augenblick, sondern auch für die Folgezeit unseren
Gefühlszustand beeinflussen können, und zwar eventuell in
einem Siune, der dem ersten augenblicklichen Gefühlserfolg
entgegengesetzt ist — wie etwa die nachteiligen Einflüsse sinn-
lichen Genießens auf die Gesundheit zeigen. Sobald wir Er-
fahrungen über solche verschiedenartige Wirkungen unserer
Handlungen besitzen, muß daher eine und dieselbe Handlung
hedonistisch verschieden bewertet werden, je nachdem ihr
Erfolg im einen oder der im anderen Augenblicke in Betracht
gezogen wird. Das hedonistische Princip gibt also hier keinen
eindeutigen. Wertmaßstab mehr an die Hand. Kin Versuch,
diese Widersprüche zu beseitigen, trit$ schon innerhalb der