Full text: Einleitung in die Philosophie

142 $ 17. Der rationalistische Idealismus. 
einer wissenschaftlichen Theorie hat erst Platon diese Be- 
strebungen seines Lehrers fortgebildet. Nicht nur ergänzte 
Platon die von Sokrates angebahnte Theorie der Begriffs- 
bestimmung durch logische Untersuchungen, sondern er zog zu- 
gleich auch aus dessen Lehre die metaphysischen‘ Consequenzen. 
Wenn es die begriffliche Erkenntnis ist, in der sich uns das 
Bleibende im Gegensatze zum ewigen Wechsel der Erschei- 
nungen offenbart, so können wir das beharrliche Sein und so- 
mit das wahre Wesen der Welt nur in den Formen unseres 
begrifflichen Denkens suchen: sie allein weisen uns den festen 
Halt in jenem rastlos hinströmenden Flusse. Wenn aber eben 
diese Formen das wahre beharrliche Sein in der Welt reprä- 
sentieren, so folgt, daß ihr Dasein auch als ein von dem 
menschlichen Denken unabhängiges angenommen werden 
muß. Nicht nur jenseits der Sinnenwelt, sondern auch jenseits 
des menschlichen Geistes, an einem nur dem Denken zugäng- 
lichen Orte führt diese Welt der an sich bestehenden begriff- 
lichen Formen oder „Ideen“ ihr unveränderliches Dasein. 
Diese Formen werden also hypostasiert und als eine an und 
für sich existierende — nicht wahrnehmbare, nur „intelligible“ — 
Weit des wahren Seins der Erscheinungswelt entgegengestellt. 
Als das wahrhaft Seiende aber müssen die Ideen not- 
wendig zugleich auch die Grundlage der Erscheinungs- 
welt bilden. Man sieht, wie an diesem Punkte sogleich die 
Vermittlungsprobleme hervortreten müssen. ‚Die hypostasierten 
Ideen stehen der Erscheinungswelt als ein völlig Heterogenes, 
Fremdes gegenüber: ein Übergang vom einen ins andere Gebiet 
ist nicht zu entdecken. Wenn die Sinnendiange von Platon 
bald als Schattenbilder, bald als Nachahmungen der Ideen, die 
Ideen als Urbilder der Dinge bezeichnet werden, an welchen 
die letzteren Teil haben oder aus denen sie gemischt sind, so 
wird mit Andentungen dieser Art doch keine begriffliche Ein- 
sicht in das Verhältnis der beiden Welten angebahnt und vor 
allem die Frage nicht gelöst, wie sich aus dem unveränder- 
lichen Sein der Ideen die Veränderungen in der Erschei- 
nungswelt ergeben sollen. Auch der großariige Versuch, die 
Ideen nicht als Ursachen im gewöhnlichen Sinne, sondern als 
Zwecke zu betrachten, auf deren Erreichung alles Geschehen 
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