166 $19. Rückblick. Die Skepsis u. das erkenntnistheoretische Problem.
schaften. Die Specialwissenschaften müssen stets im Beginn
oder im Verlauf ihrer Untersuchung Voraussetzungen einführen,
deren Rechtfertigung sie innerhalb ihres eigenen Gebietes nicht
zu leisten vermögen. So setzt die Geometrie den Raum und seine
in den Axiomen ausgesprochenen Eigenschaften, die Mechanik
den Begriff der Masse und das Trägheitsgesetz voraus, und die
Grundbegriffe der übrigen Naturwissenschaften sind zum min-
desten von den eben genannten Begriffen abhängig. Die Special-
forschung schreitet fort, ohne sich um die Rechtfertigung dieser
ihrer Grundlagen und um die eventuellen Folgen der Unmög-
lHehkeit ihrer Rechtfertigung zu kümmern. Ihre Erfolge
scheinen diese Vernachlässigung praktisch zu rechtfertigen;
allein der tiefer Denkende, der den wissenschaftlichen Problemen
eben um der Erkenntnis willen nachgeht, wird sich auch bei
den glänzendsten Ergebnissen der Specialforschung nicht ‚be-
ruhigen können, solange die Frage nach der Legitimation jener
Prineipien nicht beantwortet ist, da ja von den Prineipien der
Untersuchung die wissenschaftliche Bedeutung der Ergebnisse
durchgängig abhängt. Soweit aber der Ursprung der genannten
Prineipien nicht im Rahmen der Einzelwissenschaften gefunden
werden kann, wird er folgerichtig in dem weiteren Gebiete
gesucht werden müssen, welches die Gesamtheit aller Begriffs-
bildung umfaßt, d. h. in den allgenteinen Tatsachen unseres
Denkens -— deren Untersuchung somit auch von diesem Aus-
gangspunkte her sich als notwendig. erweist.
Führt uns so die Entwicklung der Philosophie wie die-
jenige der Specialwissenschaften mit‘ Notwendigkeit auf die
erkenntnistheoretische Fragestellung, so bleiben doch auch die
Versuche zur Lösung dieses neuen Problems zunächst den-
selben Mißerfolgen ausgesetzt, wie die metaphysische Spe-
eulation. Auch die erkenntnistheoretische Untersuchung kann
zu keinem endgültigen Ergebnisse führen, solange offen oder
versteckt die naturalistische Annahme des „Dinges an sich
als Ursache der Erscheinungen“ vorausgesetzt bleibt.
Mögen die aus dieser Voraussetzung stammenden Unbegreif-
lichkeiten der Vermittlungsprobleme eine Zeit lang künstlich
verhüllt werden, immer treten sie doch schließlich ungeschwächt
wieder zu Tage und fordern zu erneuter Untersuchung heraus;