Full text: Einleitung in die Philosophie

174 S$ 20. Die Aufgabe der erkenntnistheoretischen Philosophie. 
Zusammenhänge sich vollziehenden Entwicklung!) unseres Er- 
kenntnisbesitzes anschließen. Die hiermit geforderte gene- 
tische Untersuchung der Begriffsbildung darf nicht etwa mit 
einer Causalerklärung für irgendwelche psychische Tat- 
bestände verwechselt werden. Die Frage nach den Tatsachen, 
auf die sich die Bedeutung von Begriffen bezieht, hat mit der 
Frage nach der Ursache irgend einer Erscheinung nichts zu 
schaffen — wie die späteren Ausführungen noch deutlicher er- 
weisen werden, 
In der eben bezeichneten Aufgabe aber ist zugleich ein 
anderes Problem eingeschlossen, welches für die Methode der 
psychologischen Erkenntnistheorie von entscheidender Bedeu- 
tung ist. Die psychischen Tatbestände, um deren Aualyse und 
Entwicklungsgeschichte es sich nach dem Gesagten handelt, 
sind uns überall nur in Form einzelner Erfahrungsdaten 
gegeben. Soll die geforderte Analyse uns zu allgemein- 
gültigen Erkenntnissen führen, so muß. sie sich eines Ver- 
fahrens bedienen, welches uns ein Aufsteigen von jenen ein- 
zelnen Daten zu allgemeinen Begriffen und Urteilen ermöglicht. 
Indem sich die Philosophie mit ihrer psychologischen Wendung 
notwendig auf diesen Weg der Inducetion, d. h. der Ab- 
leitung des Allgemeinen aus einzelnen Daten gewiesen 
sieht, erwächst ihr zunächst das Problem, eben dieses Verfahren, 
den Inductionsmechanismus und die Bedeutung der induetir 
gewonnenen Krgebnisse zu untersuchen. Nur wenn sie dieses 
Problem löst, kann sie Rechenschaft darüber geben, wie weit 
die Ergebnisse der rein. auf Erfahrung gegründeten Forschung 
als sicher und allgemeingültig angesehen werden dürfen. 
Man ‚sieht aber sogleich, daß auch die Lösung dieses 
Problems auf. dem Wege der oben bezeichneten Untersuchung 
zu finden sein muß. Denn soweit wir überhaupt. in den Be- 
sitz allgemeiner Erkenntnisse gelangen, müssen diese eben 
1) Daß eine Entwicklung der bezeichneten Art stattfinde, ist nicht 
etwa eine dogmatische Annahme, sondern eine empirische Tatsache. 
Die Bedingungen, welche für diese Tatsache in der Beschaffenheit un- 
seres psychischen Lebens gegeben sind, müssen wir mittels eben des- 
jenigen Begriffsmechanismus formulieren, den unsere Analyse uns als 
Grundlage all unseres Begreifens der Tatsachen aufzeigt.
	        
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