Conerete und abstracte Inhalte. 185
Jene erschlichene Einteilung hat zugleich zur Fortpflanzung
eines anderen verhängnisvollen Irrtumes beigetragen, Indem
man die sinnlichen Empfindungen. von vornherein nur als
Wirkungen der physischen Objecte auffaßte und ihnen folge-
richtig die Rolle der Vermittler zwischen der physischen und
der psychischen Welt zuteilte, drang das alte Dogma von der
Minderwertigkeit der sinnlichen Erkenntnis such in
die psychologische Philosophie herüber, Da die Erfahrung
uns zeigt, daß die Empfindungen uns über die physischen
Eigenschaften der Dinge nicht unmittelbar sichere Auskunft
geben, so mußte die „äußere“ Wahrnehmung der Sinne zu einer
trügerischen Erkenntnisquelle werden und folglich die „innere“
Wahrnehmung allein. als Grundlage völlig sicheren Wissens in
Anspruch genommen werden. Tatsächlich gründet sich diese
verschiedene Bewertung einzig auf jene naturalistische Voraus-
setzung. Die sinnliche Erkenntnis ist nicht im mindesten
weniger sicher als die innere Wahrnehmung, solange nur eben
nicht irgend ein Schluß aus den sinnlichen Wahrnehmungen
auf die physische Beschaffenheit der Dinge gezogen, sondem
einzig das jeweilige Erlebnis als solches betrachtet wird. Über
dar Dasein diesee Krlebnisses gibt uns die augenblickliche
Wahrnehmung stets mit derselben Sicherheit Auskunft, gleich-
viel, ob das Erlebnis der äußeren oder der inneren Wahr-
nehmung angehört.
Können wir nach all diesem einen positiven wissenschaft.
lichen Fortschritt in der Statujerung jener beiden Krkenntnis-
quellen nicht erblicken, so bleibt ihr doch das eine Verdienst,
daß sie gegenüber der KEinseitigkeit rein sensunlistischer
Speculation ausdrücklich auf das Dasein derjenigen Bewußt-
seinsinhalte hingewiesen hat, welche nicht der Wahrnehmung
der Sinne entstammen.
A} Oonerete und abstracte Inhalte.
Eine weitere, für die Lösung der erkenntnistheoretischen
Probleme überaus wichtige Unterscheidung, deren Anfänge
sich gleichfalls schon im vorwissenschaftlichen Denken finden,
ist. diejenige von concreten Einzelvorstellungen und ab-
stracten, allgemeinen Begriffen.