Full text: Einleitung in die Philosophie

i & 21. Elemente der Erfahrung. 
Was mit diesem Unterschiede im. Allgemeinen gemeint 
ist, läßt sich leicht an Beispielen zeigen. Die Farbe, die ich 
jetzt sehe, der Ton, den ich jetzt höre, sind conerete Einzel- 
inhalte im Gegensatze zu den abstracten Begriffen von „Farbe“ 
und „Ton“. Ebenso scheint das Erinnerungsbild etwa einer 
gestern gesehenen Nüance von Zinnoberrot oder das Erinnerungs- 
bild eines soeben gehörten Violintones von bestimmter Höhe und 
Stärke als conereter Finzelinhalt der allgemeinen Vorstellung 
„roter Farbe“ oder der allgemeinen Vorstellung eines „beliebigen 
Violintones“ gegenüberzustehen. 
Die genauere Bestimmung dieses Gegensatzes aber ist nicht 
ohne eingehende Analyse der Entwicklung unserer Vor- 
stellungen möglich, Zwar was die concreten einzelnen Em- 
pfindungsinhalte angeht, so scheint über deren Beschaffenheit 
keinerlei Mißverständnis obwalten zu könneu: sie treten uns 
unmittelbar mit voller Bestimmtheit entgegen. Schon bei den 
Erinnerungsbildern dieser einfachen Tatbestände aber 
treten Probleme hervor, die nicht ohne Weiteres zu lösen sind. 
Ich habe vor Kurzem g8inen bestimmten Ton, etwa den Pfiff 
einer Lokomotive gehört. Indem ich ihn mir in die Erinnerung 
zurückrufe, kann ich mir zwar die Klangfarbe dieses Tones, 
nicht aber seine Höhe mit Bestimmtheit wieder vergegen- 
wärtigen. Oder ich erinnere‘ mich der Zeichnung eines gestern 
gesehenen Ornamentes, etwa eines Mäanders, vermag aber mit 
aller Anstrengung nicht mehr zu constatieren, welche Farbe 
den Linienzügen und welche dem Hintergrunde desselben zu- 
kam, Es scheint hier, als ob das zuvor Einfache des Em- 
pfiudungsinhaltes in Teile zerfallen wäre, von welchen nur 
der eine in der Erinnerung zurückgeblieben, der andere dem 
Gedächtnis entschwunden ist. . Suchen wir aber an einem 
concret gegebenen Empfindungsinhalte dieselbe Teilang zu 
vollziehen, so finden wir uns enttäuscht: es gelingt uns nicht, 
eines der Merkmale für sich allein, etwa die Höhe des eben er- 
klingenden Tones gesondert von seiner Klangfarbe und seiner 
Stärke wahrzunehmen; die Merkmale zeigen sich uns vielmehr 
zu einem untrennbaren Ganzen verbunden, innerhalb dessen 
wir zwar das eine oder das andere Merkmal besonders zu be- 
achten vermögen, ohne daß zber darum die andern für unser 
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